1 Beratung des Gesetzentwurfs im Bundestag
1.1 Ablauf der Beratungen und maßgebliche Akteure
Plenarberatungen und Ausschussberatung
Die Beratungen des Gesetzentwurfs im Parlament erfolgen in drei sog. Lesungen. Zwischen der ersten und der zweiten bzw. dritten Lesung wird der Entwurf in den Parlamentsausschüssen beraten. Bevor der Gesetzentwurf überhaupt behandelt werden kann, muss er auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt werden. Darüber, ob und wenn ja, wann ein Gesetzentwurf auf die Tagesordnung kommt, sowie darüber, ob eine Aussprache erfolgen und wenn ja, wie lange sie dauern soll, befindet im Allgemeinen der Ältestenrat (§ 20 Absatz 1 GO-BT).
Weitere Akteure im Gesetzgebungsverfahren
Maßgebliche Akteure in den Ausschussberatungen sind die Ausschussvorsitzenden, die Ausschussmitglieder, die sog. Obleute der Fraktionen, die Berichterstatter und die fachpolitischen Sprecher der Fraktionen. Die Obleute sind Ansprechpartner ihrer Fraktionen in allen Geschäftsführungsfragen der Ausschussarbeit; sie sind nicht zu verwechseln mit den Berichterstattern, deren Aufgabe darin besteht, für den jeweiligen Gegenstand der Ausschussarbeit (Gesetzentwürfe oder Anträge) die fachliche und politische Federführung im Ausschuss zu übernehmen. Von den Obleuten und Berichterstattern wiederum zu unterscheiden sind die jeweiligen fachpolitischen Sprecher der Fraktionen, deren Aufgabe darin besteht, das gesamte Feld der jeweiligen Fachpolitik politisch zu definieren, die Einzelbereiche zu koordinieren und das Politikfeld innerhalb der Fraktion und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Die Funktionen sind zwar zu trennen, gleichwohl können sie von einer Person ausgeübt werden. So kann ein fachpolitischer Sprecher zugleich Obmann und Berichterstatter für einen Gesetzentwurf sein. Die Regel ist aber, dass fachpolitischer Sprecher und Obmann nicht identisch sind.
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1.2 Erste Lesung
Beschränkte Sachberatung
In der ersten Lesung ist eine Aussprache zum Gesetzentwurf fakultativ. Die Aussprache in der ersten Beratung dient der Darlegung von Zielen und Absichten der Fraktionen für die parlamentarischen Beratungen. Eine allgemeine Aussprache findet nur dann statt, wenn sie entweder vom Ältestenrat empfohlen oder von einer Fraktion bzw. von einer Gruppe von Abgeordneten, die Fraktionsstärke erreicht, beantragt wird. Die Debatte darf sich nur auf Grundsätze der Vorlage beziehen. Sachanträge dürfen nicht gestellt werden (§ 79 GO-BT). Ebenso ist eine Ablehnung der Vorlage in diesem Beratungsstadium nicht möglich.
Überweisung an die Ausschüsse
Die erste Lesung endet mit der Überweisung des Gesetzentwurfs an den federführenden Ausschuss; die mitberatenden Ausschüsse werden beteiligt (§ 80 Absatz 1 GO-BT). In der Praxis ist die Überweisung an die Ausschüsse ohne Debatte die Regel. Ausnahmsweise kann eine Fraktion oder eine Gruppe von Abgeordneten, die Fraktionsstärke erreicht, beantragen, ohne Ausschussüberweisung unmittelbar in die zweite Beratung einzutreten. Die Annahme eines solchen Antrags bedarf jedoch einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages (§ 80 Absatz 2 Satz 1 GO-BT). Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis äußerst selten Gebrauch gemacht.
Bei einer Aussprache gibt es begrenzte Redezeiten. Innerhalb der zur Verfügung gestellten Aussprachezeit erhalten die Fraktionen proportional zu ihrer Stärke einen Redezeitanteil. Die Fraktionen legen in eigener Zuständigkeit fest, wie viele Fraktionsmitglieder im Plenum wie lange zu Wort kommen. Sie melden in der Regel auch die Redner beim amtierenden Präsidenten an. Die Mitglieder von Bundesregierung und Bundesrat haben zwar unbegrenzte Redezeit, werden aber faktisch in die Redezeitvereinbarungen einbezogen.
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1.3 Ausschussberatungen und Rolle der Bundesregierung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren
Funktion des Ausschussverfahrens
Die Ausschussberatung ist der Kern des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens. Hier erfolgt die detaillierte fachliche Bearbeitung und politische Feinabstimmung der Vorlage. Der fachlich zuständige, federführende Fachausschuss hat folgende Aufgaben: Er muss den Gesetzentwurf auf Zielsetzung, Inhalt, Lösungsalternativen, Folgewirkungen und Rechtsförmlichkeit prüfen und dabei mit den mitberatenden Ausschüssen kooperieren. Eine Einbeziehung der zuständigen Ministerien erfolgt in der Regel.
Befugnisse der Ausschüsse
Der Bundestag und seine Ausschüsse besitzen nach Artikel 43 Absatz 1 GG das Zitierrecht und können sich auf diesem Wege durch Befragung der Bundesregierung unterrichten lassen. Ferner kann der federführende Ausschuss öffentliche und nichtöffentliche Anhörungen anberaumen, externe Fachleute oder den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages mit der Erstellung von Gutachten beauftragen, Planspiele und Gesetzestests durchführen sowie Gesetzesfolgenabschätzungen, Technikfolgenabschätzungen, Wirkungsanalysen und Kosten-Nutzen-Analysen anfordern. Dazu kommen Aufgaben der mitberatenden Fachausschüsse und der sonstigen an der Gesetzesberatung inhaltlich mitbeteiligten parlamentarischen Gremien. Die mitberatenden Ausschüsse sind zur Beratung überwiesener Gesetzentwürfe verpflichtet. Sie haben ihre Stellungnahme dem federführenden Ausschuss fristgerecht zuzuleiten. Sie können ebenfalls Anhörungen durchführen, falls der federführende Ausschuss einverstanden ist.
Organisation und Arbeitsweise der Ausschüsse
Die Steuerung der Ausschussarbeit erfolgt durch den Ausschussvorsitzenden und die Obleute der Fraktionen. Für die praktische Durchführung der Ausschussarbeit steht den Parlamentariern das Ausschusssekretariat zur Verfügung. Dem Ausschusssekretariat obliegt die gesamte Vor- und Nachbereitung der Berichterstattergespräche, Ausschusssitzungen und Anhörungen des Ausschusses. Das Ausschusssekretariat arbeitet dabei eng mit den für die jeweiligen Beratungsgegenstände fachlich zuständigen Vertretern der Ressorts zusammen und ist insbesondere in formalen, terminlichen und organisatorischen Fragen deren Ansprechpartner. Ein vertrauensvolles Verhältnis des federführenden Referates zum federführenden Ausschusssekretariat ist hilfreich für eine erfolgreiche Gesetzesarbeit.
Rolle der Regierungsvertreter in den Ausschussberatungen
Im Stadium der Ausschussberatungen ist eine umfangreiche Mitwirkung von Regierungsvertretern üblich, was angesichts der Komplexität der Gesetzesvorlagen auch angezeigt und bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung auch im eigenen Interesse sinnvoll ist. Regierungsvertreter werden regelmäßig zu offiziellen und informellen Berichterstattergesprächen, Ausschusssitzungen und begleitenden Beratungen der Regierungsfraktionen hinzugezogen. Sie erarbeiten Formulierungshilfen für Änderungsanträge, liefern Hintergrundinformationen und leisten fachliche Beratung als Grundlage für die Entscheidungsfindung der Parlamentarier. Bei wichtigen bzw. politisch umstrittenen Gesetzgebungsvorhaben ist der federführende Minister bei den Ausschussberatungen häufig persönlich anwesend; im Allgemeinen wird er durch einen Parlamentarischen oder beamteten Staatssekretär vertreten, der wiederum fachkompetent von den zuständigen Personen aus der Ministerialverwaltung unterstützt wird; die Koordinierung erfolgt in aller Regel über das jeweilige Kabinett- und Parlamentsreferat. Die Angehörigen der Ressorts sind nach § 52 Absatz 1 GGO bei den Beratungen des Bundestages über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung in die Kabinettsdisziplin eingebunden.
Aus Sicht der Ausschussmitglieder vertritt das federführende Ressort die Bundesregierung. D.h., der Vertreter des federführenden Ressorts muss damit rechnen, auch zu Fragen, die an andere Ressorts gerichtet sind, Stellung nehmen zu müssen, falls diese in der Sitzung nicht vertreten sind. Deshalb ist es bei der Vorbereitung von Ausschusssitzungen wichtig, dass Vertreter des federführenden Ressorts entweder die Teilnahme mitbeteiligter Ressorts an der Sitzung sicherstellen oder sich rechtzeitig selbst sachkundig machen. In der Regel ist es kein Problem, vom nicht anwesenden Ressort entsprechende Sitzungsunterlagen (Sachstandsvermerke oder Sprechzettel) zu erhalten.
Synopse des Bundesministeriums für die Ausschussberatungen
Der federführende Ausschuss kann von der Bundesregierung (federführendes Ressort) eine Synopse des Gesetzentwurfs (Übersichtsdarstellung des Textes der Regierungsvorlage, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung) anfordern (§ 53 Absatz 2 GGO). Die Software eNorm verfügt über eine Funktion zur Erstellung von Synopsen.
Formulierungshilfen
Es ist gängige Praxis, dass die Bundesregierung bei der Gesetzgebungstätigkeit des Bundestages Hilfestellung leistet. Dies geschieht in Form von Hintergrundvermerken, durch die mündliche und schriftliche Beantwortung von Fragen einzelner Parlamentarier oder Fraktionen und durch die Erarbeitung von Entwürfen einzelner Vorschriften (Regelfall) oder ganzer Regelwerke (Ausnahmefall). Diese Entwürfe werden als Formulierungshilfen bezeichnet.
Über Formulierungshilfen, die inhaltlich von Beschlüssen der Bundesregierung abweichen oder über sie hinausgehen, sind nach § 52 GGO die beteiligten Bundesministerien und das Bundeskanzleramt unverzüglich zu unterrichten, möglichst vor Zuleitung an die Ausschüsse. Nicht von dieser Regelung erfasst werden Formulierungshilfen für Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen, die in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages behandelt werden. Lediglich wenn eine solche Formulierungshilfe zu einem faktischen Austausch des Gesetzentwurfs oder einer erheblichen Veränderung des vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurfs führen würde, ist eine entsprechende Unterrichtung in der Besprechung der beamteten Staatssekretäre bzw. in besonderen Fällen eine Kabinettbefassung erforderlich.
Ablauf der Ausschussberatungen
Nachdem der Ausschuss eine Vorlage erstmals beraten hat, beschließt er in aller Regel die Vorbereitung der weiteren bzw. abschließenden Ausschussberatung durch die Berichterstatter. In diesen Berichterstattergesprächen wird die Vorlage dann detailliert erörtert. Ein Ziel dieser Erörterungen ist es vielfach, die Möglichkeiten eines fraktionsübergreifenden Konsenses auszuloten. In den Fällen, in denen bereits vor der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Deutschen Bundestag umfangreiche politische Vorgespräche in Koalitionsrunden stattgefunden haben, finden auch die Berichterstattergespräche meist in erweitertem Kreis statt, also mit fachpolitischen Sprechern, ggf. sogar mit den Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktionen und Fachministern, bzw. werden durch separat geführte interfraktionelle Gespräche auf höherer Ebene ergänzt. Ziel dieses Verfahrens ist ebenfalls, die fraktionsübergreifenden Konsensmöglichkeiten auszuloten.
Einbeziehung der Willensbildung der Fraktionen
Bei ihren Beratungen haben die Berichterstatter stets darauf zu achten, dass ihre Positionen von den anderen Ausschussmitgliedern ihrer Fraktion – die in den jeweiligen Facharbeitsgruppen der Fraktionen zusammengeschlossen sind – geteilt und unterstützt werden. Die Berichterstatter müssen daher die Facharbeitsgruppen ihrer Fraktionen über die Ergebnisse der Berichterstattergespräche informieren, für die erzielten Zwischenergebnisse werben bzw. abweichende oder ergänzende Voten der Facharbeitsgruppen in die Berichterstattergespräche einbringen. Die Facharbeitsgruppe bzw. der jeweilige fachpolitische Sprecher wiederum hat dafür zu sorgen, dass die dort gefundenen Positionen von der Gesamtfraktion gebilligt werden bzw. Positionen der Gesamtfraktion über die Facharbeitsgruppen in die Berichterstattergespräche eingebracht werden.
Abschluss der Beratungen: Beschlussempfehlung und Bericht des federführenden Ausschusses
Die Schlussberatung des Ausschusses, der nicht selten eine oder mehrere Vor- bzw. Zwischenberatungen vorangehen, beginnt mit einer allgemeinen Aussprache, um dann in die Einzelberatung des Gesetzentwurfs (d.h. Aufruf jeder Einzelbestimmung des Gesetzentwurfs) überzugehen. In diesem Rahmen erfolgt auch die Einzelabstimmung über die jeweiligen Nummern des Gesetzentwurfs und die hierzu von den Ausschussmitgliedern eingebrachten Änderungsanträge. Am Ende der Beratung erfolgt eine Abstimmung über den geänderten Entwurf im Ganzen.
Zu den Aufgaben des federführenden Fachausschusses gehört auch die Vorlage einer Beschlussempfehlung an das Plenum. Die abschließende Beratung im Plenum setzt grundsätzlich eine Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses voraus. Nur dieser ist berechtigt, dem Plenum eine solche Empfehlung vorzulegen. Die Beschlussempfehlung enthält den Inhalt der Gesetzesvorschriften, exakt so, wie er vom federführenden Ausschuss beschlossen worden ist. Die Folge ist, dass bei der Schlussabstimmung nicht mehr über die ursprüngliche Fassung des Gesetzentwurfs abgestimmt wird; auch nicht, wenn die Bundesregierung den Gesetzentwurf eingebracht hat. Wer die Ursprungsfassung wiederherstellen will, muss bei der Schlussberatung im Plenum einen Änderungsantrag stellen. Nur wenn der Gesetzentwurf abgelehnt werden soll, wird für gewöhnlich über die Ursprungsfassung abgestimmt. Zur Beschlussfassung genügt in jedem Fall eine einfache Mehrheit.
Nach Abschluss der Beratung erarbeitet der Ausschuss einen Beschlussantrag an das Plenum. Dieser kann auf Ablehnung, Annahme des Gesetzentwurfs in der von der Bundesregierung eingebrachten Fassung oder auf Annahme des Gesetzentwurfs in der vom Ausschuss vorgeschlagenen Fassung lauten. Der Ausschussbericht enthält eine knappe, den Gang des Verfahrens und die unterschiedlichen politischen Bewertungen des Entwurfs erfassende Darstellung sowie eine Synopse, die neben dem Regierungsentwurf Informationen darüber enthält, ob die im Ausschuss gestellten Änderungsanträge angenommen oder abgelehnt wurden. Die Erarbeitung des Ausschussberichts erfolgt unter Federführung des Ausschusssekretariats; die Vertreter des federführenden Ressorts leisten dabei jedoch häufig einen wesentlichen Teil der erforderlichen Facharbeit. Die Beschlussempfehlung und der Bericht werden als Bundestags-Drucksache veröffentlicht. Da die Ausschussberatungen nicht öffentlich sind, wird es der Regierungsmehrheit erleichtert, Kritik der Opposition an und deren Alternativen zu Regierungsentwürfen aufzugreifen oder Gesetzentwürfen der Opposition im Ganzen oder teilweise zuzustimmen.
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1.4 Zweite und dritte Lesung – Gesetzesbeschluss
Zweite Lesung
Das Plenum berät den abstimmungsfähigen Gesetzentwurf nach der Empfehlung des Ältestenrates in zweiter Lesung. In der zweiten Lesung ist die Debatte – wie bei der ersten Lesung – fakultativ. Findet eine Debatte statt, gelten die gleichen Regeln wie bei der ersten Lesung. Die Aussprache dient auch hier der Erläuterung der Einstellung der Fraktionen und Abgeordneten zum Inhalt der Beschlussempfehlung und zur Eruierung des Abstimmungsverhaltens. Es wird über Änderungs- und Ergänzungsanträge abgestimmt.
Die zweite Lesung beginnt frühestens am zweiten Tag nach der Verteilung der als Drucksache erstellten Beschlussempfehlung und des Berichts des federführenden Ausschusses. Eine Verkürzung dieser Frist kann auf Antrag einer Gruppe von Abgeordneten, die Fraktionsstärke erreicht, mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschlossen werden (§ 81 Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz GO-BT). Bei für dringlich erklärten Regierungsvorlagen (nur bei Gesetzgebungsnotstand gemäß Artikel 81 GG) kann eine entsprechende Fristverkürzung bereits mit der einfachen Mehrheit der Mitglieder des Bundestages beschlossen werden (§ 81 Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz GO-BT).
Gegenstand der Lesung ist nicht mehr die ursprüngliche Vorlage, sondern ihre durch die Beschlussempfehlung modifizierte Fassung. Die Lesung kann sich auf jede Einzelvorschrift erstrecken. Bis zum Abschluss der Lesungen können von jedem Abgeordneten Änderungsanträge gestellt werden (§ 81 Absatz 2 Satz 1 GO-BT). Am Ende der Aussprache wird über die Einzelbestimmungen und Änderungsanträge abgestimmt (§ 81 Absatz 2 Satz 2 GO-BT). Die Vorlage kann ganz oder teilweise an die Ausschüsse zurückverwiesen werden (§ 82 Absatz 3 GO-BT).
In zweiter Lesung kann die Vorlage endgültig abgelehnt werden, so dass die dritte Lesung entfällt. Eine dritte Lesung entfällt grundsätzlich auch bei Vorlagen, durch die völkerrechtliche Verträge in innerstaatliches Recht übernommen werden sollen. In diesen Fällen wird auch nur über die Vorlage insgesamt abgestimmt. Änderungsanträge sind hier unzulässig (§ 81 Absatz 4 Satz 2, § 82 Absatz 2 und § 86 Satz 4 GO-BT).
Dritte Lesung
Die dritte Lesung erfolgt,
- wenn – was in der Praxis überwiegend der Fall ist – in zweiter Lesung keine Änderungen beschlossen worden sind, unmittelbar anschließend im selben Termin (§ 84 Satz 1 Buchstabe a GO-BT), oder
- wenn Änderungen beschlossen worden sind, am zweiten Tag nach Verteilung der Drucksachen mit den beschlossenen Änderungen. Ein früherer Termin kann auf Antrag einer Gruppe von Abgeordneten, die Fraktionsstärke erreicht, mit Zweidrittelmehrheit (nur bei Gesetzgebungsnotstand gemäß Artikel 81 GG) der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschlossen werden. Bei für dringlich erklärten Regierungsvorlagen kann die Fristverkürzung mit der einfachen Mehrheit der Mitglieder des Bundestages beschlossen werden (§ 84 Satz 1 Buchstabe b GO-BT).
Gegenstand der dritten Lesung ist der Entwurf, wie er sich nach dem Abschluss der zweiten Lesung darstellt; dementsprechend können Änderungsanträge auch nur zu denjenigen Bestimmungen gestellt werden, die in der zweiten Lesung geändert worden sind. Entsprechende Änderungsanträge müssen von einer Gruppe von Abgeordneten, die Fraktionsstärke erreicht, gestellt werden (§ 85 Absatz 1 Satz 1 GO-BT).
In der dritten Lesung erfolgt grundsätzlich nur eine allgemeine Aussprache. Einzelberatungen sind lediglich zu denjenigen Bestimmungen vorgesehen, die in der zweiten Lesung geändert worden sind (§ 85 Absatz 1 Satz 3 GO-BT). Eine allgemeine Aussprache erfolgt nur, wenn sie nicht bereits in der zweiten Lesung stattgefunden hat und vom Ältestenrat empfohlen oder von einer Gruppe von Abgeordneten, die Fraktionsstärke erreicht, verlangt wird (§ 84 Satz 3 GO-BT).
Wie schon in der zweiten Lesung kann die Gesetzesvorlage in der dritten Lesung vor der Schlussabstimmung auch ganz oder teilweise an die Ausschüsse zurückverwiesen werden (§ 85 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 80 Absatz 1 GO-BT). In der dritten Lesung folgt nach den eventuellen Einzelabstimmungen gesondert die Schlussabstimmung über die gesamte Gesetzesvorlage in der Fassung der angenommen Einzelabstimmungen. Die Abstimmungen im Gesetzgebungsverfahren sind stets offen. Der Bundestag benutzt keine Abstimmungsanlage.
Schlussabstimmung/Gesetzesbeschluss (Artikel 77 Absatz 1 GG und § 86 GO-BT)
Für den Zeitpunkt der Schlussabstimmung gelten folgende Regelungen:
- Sind Beschlüsse der zweiten Lesung in der dritten Lesung unverändert geblieben, folgt die Schlussabstimmung unmittelbar (§ 86 Satz 2 GO-BT).
- Bei Änderungen der in der zweiten Lesung gefassten Beschlüsse muss die Schlussabstimmung auf Verlangen einer Gruppe von Abgeordneten, die Fraktionsstärke erreicht, ausgesetzt werden, bis die Beschlüsse der dritten Lesung zusammengestellt und verteilt sind (§ 86 Satz 3 GO-BT).
Regeln der Schlussabstimmung
Für die Schlussabstimmung gelten folgende Regeln:
- Der Gesetzentwurf ist, soweit nicht das Grundgesetz, ein Bundesgesetz oder die GO-BT etwas anderes bestimmen, angenommen, wenn ihn die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages billigt (§ 48 Absatz 2 Satz 1 GO-BT). Die Schlussabstimmung erfolgt durch Aufstehen oder Sitzenbleiben (§ 48 Absatz 1 Satz 2 GO-BT). Ergibt die überschlägige Zählung kein eindeutiges Ergebnis, werden die Stimmenverhältnisse im sog. Hammelsprungverfahren ermittelt (Auszug der Abgeordneten aus dem Plenarsaal und Wiedereinzug durch drei getrennte Eingänge – Ja, Nein und Enthaltung).
- Ausnahmsweise findet eine namentliche Abstimmung statt, wenn dies von einer Gruppe von Abgeordneten, die Fraktionsstärke erreicht, verlangt wird (§ 52 Satz 1 GO-BT). Von dieser Möglichkeit wird in der Regel nur bei politisch besonders bedeutsamen Gesetzgebungsverfahren Gebrauch gemacht. Eine namentliche Abstimmung ist in Verfahrensfragen ausgeschlossen (§ 53 GO-BT).
Einbringung des Gesetzesbeschlusses in den Bundesrat
Nach Artikel 77 Absatz 1 Satz 2 GG sind Gesetzesbeschlüsse des Bundestages dem Bundesrat durch den Präsidenten des Bundestages unverzüglich zuzuleiten. Damit wird für die Regierungsvorlagen – anders als für Gesetzesinitiativen des Bundestages – der 2. Durchgang im Bundesrat eröffnet.