3 Beratung des Gesetzesbeschlusses im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat
3.1 Mitglieder und Verfahrensgrundsätze des Vermittlungsausschusses sowie Rolle der Bundesregierung im Vermittlungsverfahren
Der Vermittlungsausschuss hat seine Rechtsgrundlage in Artikel 77 Absatz 2 GG in Verbindung mit der GO VA. Die GO VA wird vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Das Vermittlungsverfahren soll ermöglichen, dass bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat über den Inhalt von Gesetzen Kompromisse gefunden werden können, d.h. die Entscheidung über einen Gesetzesbeschluss im Bundesrat nicht nur „ja“ oder „nein“ lauten kann.
Der Vermittlungsausschuss ist ein ständiger Ausschuss, in den Bundestag und Bundesrat je 16 Mitglieder entsenden (§ 1 GO VA). Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter zu bestellen, der ebenfalls Mitglied der entsendenden Körperschaft sein muss und nur an Sitzungen teilnehmen darf, soweit eine Vertretung notwendig ist (§ 3 GO VA). Die auf den Bundestag entfallenden Mitglieder werden entsprechend den dortigen Mehrheitsverhältnissen benannt, während die Bundesratsmitglieder des Vermittlungsausschusses nach dem Prinzip der Ländergleichheit entsandt werden; jedes Land hat demnach einen Sitz.
Die Bundesregierung hat im Vermittlungsausschuss lediglich ein Teilnahme- und Rede-, aber kein Mitberatungsrecht (Artikel 43 Absatz 2 GG, § 5 GO VA). Der Vermittlungsausschuss kann nach Artikel 43 Absatz 1 GG die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen. Die Bundesregierung spielt in der Praxis des Vermittlungsverfahrens eine wichtige Rolle, weil sie dem Vermittlungsausschuss fachliche Unterstützung leistet. Ähnlich wie in den Ausschusssitzungen des Bundestages haben die Vertreter des federführenden Ressorts die Aufgabe, die Mitglieder des Vermittlungsausschusses fachlich zu beraten und Formulierungshilfen zu erstellen.
Nach § 4 GO VA ist innerhalb einer Wahlperiode lediglich viermal ein personeller Wechsel eines ordentlichen oder stellvertretenden Ausschussmitgliedes zulässig. Entsprechend seiner Funktion, tragfähige Kompromisslösungen zu erarbeiten, ist der Vermittlungsausschuss kein Gremium von Experten, sondern von Persönlichkeiten des politischen Lebens, die möglichst parteiübergreifende Autorität haben.
An Sitzungen des Vermittlungsausschusses können nach § 6 GO VA Personen, die nicht Mitglied des Vermittlungsausschusses sind, nur teilnehmen, wenn dies ausdrücklich vom Vermittlungsausschuss beschlossen wird. Nach § 8 GO VA werden Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder des Vermittlungsausschusses gefasst. Die Beschlussfähigkeit ist in § 7 GO VA geregelt.
Geschäftsstelle des Vermittlungsausschusses
Die administrative Vorbereitung und Durchführung des Vermittlungsverfahrens obliegt der Geschäftsstelle des Vermittlungsausschusses, die beim Rechtsausschuss des Bundesrates eingerichtet ist. Sie ist verpflichtet, politische Neutralität zu wahren, und ist mithin kein politisches Organ, sondern nimmt – wie die Ausschüsse des Bundestages – reine Dienstleistungsaufgaben wahr.
Ablauf des Vermittlungsverfahrens
Die Terminierung der Sitzungen des Vermittlungsausschusses folgt politischen Absprachen. Die Ladungsfrist beträgt fünf Tage ab Abgang der Ladung (§ 7 Absatz 2 GO VA). Bei komplexen Vorlagen sind ausführliche Vor- und Zwischenberatungen des Vermittlungsausschusses die Regel. Ferner können – was bei umfangreichen und schwierigen Materien ebenfalls häufig vorkommt – Arbeitsgruppen eingesetzt werden, die bestimmte Themenbereiche vorbereitend beraten und damit die Abschlussberatung des Plenums erleichtern. Für das Beratungsverfahren gibt es keine besonderen Formvorschriften oder Fristen. Insbesondere aus dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Organtreue dürfte sich jedoch ergeben, dass der Vermittlungsausschuss nicht befugt ist, die Behandlung einer Vorlage zu verschleppen. Er ist vielmehr verpflichtet, diese zügig, d.h. zumindest in angemessener Zeit, zu behandeln.
Die Beratungen des Vermittlungsausschusses (Verlauf und Abstimmungsergebnis) sind vertraulich.
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3.2 Vermittlungsergebnisse
Beim Beschluss eines Einigungsvorschlags hat der Vermittlungsausschuss keine uneingeschränkte Dispositionsbefugnis, sondern muss bestimmte Grenzen beachten. Wird die Anrufung des Vermittlungsausschusses auf konkrete Punkte beschränkt, darf er nicht über diese konkreten Punkte hinausgehen („ne ultra petita“); bei einer unbestimmten Anrufung des Vermittlungsausschusses darf der Einigungsvorschlag nicht über das Gesetzgebungsziel hinausreichen, wie es sich aus dem bisherigen Gesetzgebungsverfahren ergibt. Der Vermittlungsvorschlag muss sich mithin im Rahmen der in der Vorlage behandelten Materie halten, da der Vermittlungsausschuss kein Gesetzesinitiativrecht hat. Dementsprechend darf das Vermittlungsergebnis nur in einem Regelungsvorschlag für diejenigen Materien bestehen, die auch Gegenstand des Vermittlungs- sowie des ihm vorausgehenden Gesetzgebungsverfahrens sind. Zwischen einer im Vermittlungsergebnis vorgeschlagenen Ergänzung und der im Vermittlungsausschuss behandelten Vorlage muss daher ein hinreichender rechtlicher Zusammenhang bestehen.
Ein Vermittlungsverfahren kann vier unterschiedliche Resultate haben:
- Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzesbeschluss des Bundestages zu ändern, also vom Bundesrat nicht akzeptierte Vorschriften zu modifizieren, zu ergänzen oder zu streichen.
- Der Gesetzesbeschluss des Bundestages wird bestätigt.
- Es wird vorgeschlagen, der Bundestag möge seinen Gesetzesbeschluss wieder aufheben. In einem solchen Fall hat der Bundesrat ein Gesetz in der Regel insgesamt abgelehnt und hat seine Auffassung im Vermittlungsausschuss durchsetzen können.
- Das Verfahren wird ohne Einigungsvorschlag abgeschlossen.
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3.3 Beschlussfassung von Bundestag und Bundesrat
Der Vermittlungsausschuss kann nur Vorschläge zur Beilegung von Konflikten zwischen Bundesrat und Bundestag machen, nicht jedoch Gesetze selbst beschließen. Die Einigungsvorschläge des Vermittlungsausschusses bedürfen der Bestätigung durch Bundestag und Bundesrat oder – sofern keine Änderung des Gesetzesbeschlusses des Bundestags vorgeschlagen wird – nur durch den Bundesrat.
Die Entscheidung über ein Vermittlungsergebnis mit der Maßgabe einer Änderung des Gesetzesbeschlusses erfolgt im Bundestag in einer einzigen Plenarberatung (ohne vorherige Ausschussbefassung) und nur über das Vermittlungsergebnis im Ganzen (sog. Vierte Beratung).
Stimmt der Bundesrat dem Vermittlungsergebnis zu, das auf die Änderung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages gerichtet ist, so kommt das Gesetz in dieser Fassung zustande. Lehnt der Bundesrat den Vermittlungsvorschlag dagegen ab, kann er im Fall eines Einspruchsgesetzes Einspruch einlegen oder im Fall eines Zustimmungsgesetzes dem Gesetzesbeschluss nicht zuzustimmen. Im ersten Fall kann der Bundestag seinen Gesetzesbeschluss durch mehrheitliche Überstimmung des Einspruchs „retten“. Legt der Bundesrat gegen das Gesetz mit zwei Dritteln seiner Stimmen Einspruch ein, so muss der Bundestag diesen ebenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen. Im zweiten Fall scheitert das Gesetz endgültig, es sei denn, der Bundestag oder die Bundesregierung ruft ihrerseits den Vermittlungsausschuss an, um weitere Vermittlungsverfahren durchführen zu lassen. Für diese weiteren Vermittlungsverfahren gelten die dargestellten Grundsätze und möglichen Ergebnisse entsprechend.