1 Vorüberlegungen
1.1 Rückkopplung zwischen Leitung und zuständiger Organisationseinheit des federführenden Ressorts
Die Federführung für die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs liegt bei dem Ressort, dem das Sachgebiet nach der Geschäftsverteilung der Bundesregierung zugewiesen ist. Die Geschäftsverteilung erfolgt durch Organisationserlass des Bundeskanzlers.
Das federführende Ressort – und dort die zuständige Organisationseinheit, die mit der Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens beauftragt ist – trägt die Gesamtverantwortung für die fachlichen Belange und die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrens. Das Verfahren richtet sich nach der GGO.
Im Regelfall findet im Prozess der Erarbeitung des Regierungsentwurfs eine Rückkopplung zwischen der zuständigen Organisationseinheit und der Leitung des Ressorts statt. So kann beispielsweise eine Leitungsvorlage zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Neuregelung und zu deren Zielen zu Eckpunkten des Vorhabens oder zu beabsichtigten Konsultationen notwendig sein. Eine Ausnahme von diesem Regelfall kann z.B. eine alternativlose Umsetzung von europarechtlichen Vorgaben in nationales Recht sein.
Eine Abstimmung des Gesetzentwurfs mit anderen Ministerien muss erfolgen, falls deren Belange betroffen sind.
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1.2 Anlässe für ein Tätigwerden des federführenden Ressorts
Anlässe für ein Tätigwerden des federführenden Bundesministeriums können sich insbesondere ergeben durch:
- politische Weisung der Hausleitung
- Beschluss der gesetzgebenden Körperschaften oder Zusagen der Bundesregierung ihnen gegenüber
- Umsetzung des Regierungsprogramms oder einer Koalitionsvereinbarung
- Gerichtsentscheidung
- bevorstehendes Auslaufen vorhandener gesetzlicher Regelungen (befristete Gesetze)
- Evaluierung des geltenden Rechts/retrospektive Gesetzesfolgenabschätzung (rGFA)
- EU-Recht
- Abschluss völkerrechtlicher Verträge (Vertragsgesetz und ggf. erforderliche Umsetzung in nationales Recht)
- Aktivität der parlamentarischen Opposition
- Vorschlag der Länder
- Wunsch der Gesetzesanwender (z.B. Fachkreise und Verbände)
- Vorschlag der Wissenschaft
- Notwendigkeit aus eigener fachlicher Sicht
- Petition
- Bemerkungen/Empfehlungen/Forderungen etc. des Bundesrechnungshofes.
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1.3 Prüfung: Regelungsnotwendigkeit und Form der Regelung (Normenhierarchie)
Zunächst wird in der Regel gefragt, ob ein Gesetz erforderlich ist (siehe § 43 Absatz 1 Nummer 1 GGO). Zur Feststellung der Erforderlichkeit sind verschiedene Aspekte zu beachten.
- Es muss geklärt werden, ob eine Regelung überhaupt notwendig ist. Es ist zu prüfen, ob für eine Neuregelung eine hinreichende Tatsachengrundlage gegeben ist und ob sich Ziele oder eine Problembewältigung auch anders – z.B. durch alternative Formen der Problembewältigung (z.B. Selbstregulierung) oder problemorientierte Auslegung/Anwendung der vorhandenen rechtlichen Regelungen – erreichen lassen.
Für die Klärung der Frage, ob ein festgestellter Regelungsbedarf statt durch hoheitliche Regulierung eher durch Selbstregulierung gedeckt werden sollte, gibt Anlage 5 zu § 43 Absatz 1 Nummer 3 GGO durch einen „Prüfkatalog zur Feststellung von Selbstregulierungsmöglichkeiten“ konkrete Hilfestellungen. Entscheidendes Kriterium für die Beantwortung der Fragen ist, ob sich die jeweils „schärfere“ Form der Regulierung als notwendig i.S.d. § 43 Absatz 1 Nummer 1 GGO erweist. - Wenn die Notwendigkeit einer neuen Regelung bejaht wird, stellt sich die Frage, ob diese Regelung durch ein förmliches Gesetz erfolgen muss. Eine Regelung durch ein förmliches Gesetz ist nötig,
a) wenn zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben vorliegen
b) wenn die änderungsbedürftige Rechtslage ihrerseits auf einem förmlichen Gesetz beruht. Insbesondere in Fällen, in denen eine Materie durch eine Kombination von gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften ausgestaltet worden ist, muss daher sorgfältig geprüft werden, auf welcher Ebene der festgestellte Regelungsbedarf genau anzusiedeln ist. - Wenn die rechtliche Prüfung der Notwendigkeit einer neuen gesetzlichen Regelung negativ ausfällt, ist aus fachlicher und politischer Sicht zu fragen, ob eine Problemlösung durch den Erlass eines förmlichen Gesetzes dennoch geboten ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine Angelegenheit umstritten und deshalb die besondere Legitimation der entsprechenden Regelung angezeigt erscheint. Für den Erlass untergesetzlicher Normen sprechen dagegen deren Verfahrensökonomie und höhere Flexibilität bei etwaigem späterem Änderungsbedarf.
- Soweit der festgestellte Regelungsbedarf nicht aus zwingenden rechtlichen Gründen durch förmliches Gesetz gedeckt werden muss, ist stets zu prüfen, ob eine gesellschaftliche Selbstregulierung einer staatlichen Regulierung vorzuziehen ist.
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1.4 Zeitplanung
Die Zeitplanung ist ein wichtiger Arbeitsschritt zu Beginn eines Regelungsvorhabens. Es empfiehlt sich, bei der Zeitplanung vom geplanten Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Gesetzes auszugehen und von diesem Zeitpunkt rückwirkend die Zeitpunkte der einzelnen Arbeitsschritte zu bestimmen. Der Zeitplan sollte stets aktualisiert werden.
Kurzübersicht: Planungsbogen GesetzgebungsverfahrenZeit * | Datum | Aktion |
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| | Vorphase
- Konzeptionelle Überlegungen: Anlass des Tätigwerdens (z.B. Weisung der Hausleitung, Umsetzung des Koalitionsvertrags, ressortabgestimmtes Eckpunkte-Papier, EU-Richtlinie), Prüfung der politischen, inhaltlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen, Prüfung von Regelungsalternativen und Gesetzesfolgen inkl. Erfüllungsaufwand
- Ergänzung der Vorhabenplanung der BReg bis spätestens montags vier Wochen vor geplanter Kabinettbefassung (Unterrichtung des BK-Amtes gemäß § 40 GGO); ggf. Aktualisierung des ELVER/IntraplanB
- Erstellung des Referentenentwurfs (Vorblatt, Gesetzentwurf, Begründung) unter Beachtung insbesondere der §§ 42, 43 und 44 GGO und ggf. der einschlägigen Hausanordnungen
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Dauer: ca. zwei bis vier Wochen | | Hausabstimmung
- Beachtung der ggf. einschlägigen Hausanordnungen
- Beteiligung organisatorisch und fachlich betroffener Referate
- ggf. Erörterung und Umsetzung der Änderungswünsche
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mind. eine Woche vor Ressortabstimmung | | Befassung Hausleitung
- Hausentwurf über festgelegten Dienstweg (z.B. Einbeziehung Kabinettreferat) an Hausleitung zur Billigung
- nach Billigung durch die Hausleitung ggf. Vorabunterrichtung der Koalitionsfraktionen (Gelegenheit zur Stellungnahme)
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Dauer: ca. vier Wochen (kürzere Frist möglich, insb. i.V.m. Ressortabstimmungen in Vorphase) | | Ressortabstimmung und weitere Beteiligungen
- rechtzeitige Beteiligung der betroffenen Ressorts, des Nationalen Normenkontrollrates, der Verfassungsressorts BMI und BMJ (§§ 45, 46 GGO, Anlage 6 zu § 45 Absatz 1, § 74 Absatz 5 GGO), ggf. unter Fristsetzung (für Schlussabstimmung grundsätzlich mindestens vier Wochen, bei umfangreichen und schwierigen Entwürfen auf Antrag acht Wochen, nur in begründeten Ausnahmefällen kürzer (§ 50 GGO)
- Beachtung der Vorhabenplanung der Bundesregierung; ggf. Nachholen der ELVER/IntraplanB-Erfassung
Ggf. während Ressortabstimmung, ggf. nach Billigung durch Ressorts:
- Beteiligung der Länder, der kommunalen Spitzenverbände, der Fachkreise (§ 47 GGO)
- bei Länder- und Verbändebeteiligung zeitgleiche Kenntnisgabe des Entwurfs an die Geschäftsstellen der Fraktionen des Deutschen Bundestages und des Bundesrates (§ 48 Absatz 2 GGO)
- ggf. Erörterung und Umsetzung der Änderungswünsche
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spätestens freitags zehn Tage vor gepl. Kabinetteinbringung (Begründete Nachmeldung mit St- Vorlage bis freitags 12 Uhr vor Kabinett mgl.) | | Kabinettvorlage an Hausleitung
Beachtung der §§ 22, 51 GGO und ggf. der einschlägigen Hausanordnung
(Hinweis: Annex 3 enthält ein Muster für den Beschlussvorschlag und den Sprechzettel sowie den Verteilerschlüssel.)
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mittwochs | | Kabinettbeschluss |
sechs Wo. vor nächster BR- Sitzung (Fristverkürzung möglich) | | Zuleitung an Bundesrat durch BK-Amt
- Beachtung des Sitzungskalenders
Stellungnahme des Bundesrates innerhalb von sechs Wochen (Artikel 76 Absatz 2 Satz 2 GG); Fristverkürzung zur Stellungnahme durch begründeten Antrag der Bundesregierung gegenüber dem Ständigen Beirat des Bundesrates möglich - ggf. Entwurf der Gegenäußerung der BReg zur Stellungnahme des Bundesrates und Herbeiführung des Kabinettbeschlusses hierüber (beachte § 53 GGO).
nach Befassung im Bundesrat (Ausnahme: Eilbedürftigkeit)
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nach Befassung im Bundesrat (Ausnahme: Eilbedürftigkeit) | | Zuleitung an Bundestag
- Gesetzentwurf, Stellungnahme des Bundesrates, Gegenäußerung BReg. Bei Eilbedürftigkeit (Kabinettbeschluss hierüber erforderlich): Weiterleitung drei Wochen nach Zuleitung an den Bundesrat möglich. Die Stellungnahme des Bundesrates muss dann umgehend nachgereicht werden (Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG).
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Dauer: in der Regel. mind. drei Wochen | | Befassung Bundestag
- Beachtung des Sitzungskalenders
Erste Lesung (Donnerstag oder Freitag), Überweisung an Ausschuss, Befassung im Ausschuss (Mittwoch), ggf. Anhörung - ggf. Entwurf von Formulierungsvorschlägen bei Änderungswünschen
Zweite und dritte Lesung (Do. oder Fr.), anschl. Weiterleitung an Bundesrat
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ca. zwei bis drei Wochen nach Zuleitung durch Bundestag | | Zweite Befassung Bundesrat
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Dauer:
ca. zwei Wochen | | Herstellung der Urschrift
- Beachtung der §§ 58, 59 GGO und ggf. der einschlägigen Hausanweisungen
- Veranlassung der Urschrift des Gesetzes bei der Schriftleitung des Bundesgesetzblattes (§ 58 GGO)
- ggf. Bereinigung von Druckfehlern oder offensichtlichen Unrichtigkeiten im Berichtigungsverfahren (§ 61 Absatz 2 GGO)
- Herbeiführung der Gegenzeichnung durch Mitglieder der BReg (§ 58 Absatz 3 GGO)
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| | Gegenzeichnung durch BK und Ausfertigung durch BPräs |
| | Verkündung des Gesetzes (Artikel 82 Absatz 1 GG; § 60 GGO) |
| | Inkrafttreten des Gesetzes (Artikel 82 Absatz 2 GG)
(14 Tage nach Verkündung, falls Inkrafttreten nicht im Gesetz selbst geregelt ist) |
* Die angegebenen Zeiträume sind jeweils Schätz- bzw. Erfahrungswerte. Es empfiehlt sich, zeitliche Puffer einzuplanen. Für weiterführende Ausführungen zur Übersicht wird auf die entsprechenden Kapitel und den Index verwiesen. |
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1.5 Fundierung des Vorhabens: Materialrecherche, Eckpunkte, prospektive Gesetzesfolgenabschätzung, Gutachten und Kommissionen
Materialrecherche
Um einen Gesetzentwurf erarbeiten zu können, müssen die erforderlichen Informationen beschafft werden. Diese Aufgabe obliegt dem federführenden Fachreferat. Es bedient sich hierzu insbesondere der Erkenntnisse innerhalb des eigenen Hauses, der nachgeordneten Fachbehörden des Bundes, anderer Ressorts und der Länderregierungen, mit denen in der Regel auf Fachebene eine enge Kooperation durch verschiedene, meist sogar institutionalisierte Bund-Länder-Arbeitsgruppen gepflegt wird. Aber auch Verlautbarungen und Stellungnahmen von Interessenverbänden, Nichtregierungsorganisationen und Gesetzesanwendern sind einzubeziehen. Eine Interessenermittlung bei Ländern und kommunalen Spitzenverbänden (§ 41 GGO) soll durchgeführt werden. Ferner sind die einschlägige Rechtsprechung und wissenschaftliche Veröffentlichungen zu beachten.
Erarbeitung von Eckpunkten
Bei komplexen und politisch umstrittenen Vorhaben kann es sinnvoll sein, vor einem Gesetzentwurf zunächst eine politische Festlegung in Form von Eckpunkten, sei es durch Kabinettbeschluss oder Koalitionsabsprachen, herbeizuführen. Dabei empfiehlt es sich aus fachlicher Sicht, die Eckpunkte nicht zu detailliert zu fassen, damit der Spielraum erhalten bleibt, der für eine widerspruchsfreie Normierung von Einzelfragen im späteren Gesetzgebungsverfahren erforderlich ist. Eine hausinterne und ressortübergreifende Abstimmung der Eckpunkte empfiehlt sich, zudem ist eine Kabinettbefassung zu erwägen.
Prospektive Folgenabschätzung
Zur Erarbeitung und Auswahl von Eckpunkten kann die Arbeitshilfe zur Gesetzesfolgenabschätzung des Bundesministeriums des Innern herangezogen werden. Sie hilft, die Regelungsnotwendigkeit zu begründen und die Folgen alternativer Eckpunkte abzuschätzen. Sie gibt Anleitungen zu fünf Arbeitsschritten:
- Schritt 1: Analyse des Regelungsfeldes
- Schritt 2: Zielbeschreibung
- Schritt 3: Entwicklung von Regelungsalternativen
- Schritt 4: Prüfung und Bewertung der Regelungsalternativen (Konsultation)
- Schritt 5: Ergebnisdokumentation
Hinweis
Die Arbeitshilfe des Bundesministeriums des Innern ist im Intranet des Bundes unter -> „Rechtsvorschriften/Arbeitshilfen Recht/BRH“ zugänglich.
Gutachten und Sachverständigenkommissionen
Zur Vertiefung der Erkenntnisse des Fachreferates können z.B. Gutachten eingeholt werden. Bei einem umfangreichen Gesetzgebungsvorhaben (insbesondere Erstkodifikation, Neukodifikation) kann es empfehlenswert sein, eine wissenschaftliche Kommission ggf. unter Beteiligung erfahrener Praktiker zu berufen und mit der Erarbeitung eines Kommissionsvorschlags zu betrauen. Auch in diesem Fall ist und bleibt es jedoch alleinige Aufgabe des federführenden Ministeriums bzw. Referates, die Vorschläge der Kommission kritisch zu prüfen, falls erforderlich zu modifizieren und in die Form eines inhaltlich und formal korrekten Gesetzentwurfs zu bringen.
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1.6 Kabinettbeteiligung bei aufwendigen Vorarbeiten und bei Ressortdifferenzen
Nach § 45 Absatz 5 Satz 1 GGO ist stets zu beachten, dass umfangreiche oder kostenintensive Vorarbeiten für einen Gesetzentwurf bei zu erwartenden oder vorhandenen Meinungsverschiedenheiten der Ministerien nicht veranlasst werden sollen, bevor das Kabinett entschieden hat. In diesem Sonderfall muss das federführende Ressort also bereits im Vorfeld eines Gesetzentwurfs eine abgestimmte Kabinettvorlage erstellen – in der Regel auf der Grundlage eines Eckpunktepapiers und einer Bewertung über den zu erwartenden Aufwand für die Vorarbeiten und über die Erfolgsaussichten des Projekts.
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1.7 Prüfung der Rahmenbedingungen
Steht fest, dass eine Regelung durch förmliches Gesetz erforderlich ist, sind die politischen, inhaltlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen zu prüfen. So sind insbesondere folgende Fragen zu klären:
- Ist ein neues Gesetz erforderlich oder genügt die Änderung eines geltenden Gesetzes?
- Lässt sich das Vorhaben mit einem anderen Gesetzesvorhaben verbinden?
- Ist der Gesetzesinhalt durch eine EU-Richtlinie bereits festgelegt?
- Welcher finanzielle Rahmen ist vorgegeben?
- Gibt es besondere Beteiligungserfordernisse im Vorstadium der Erarbeitung des Gesetzentwurfs (z.B. die Anhörung der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse nach § 118 des Bundesbeamtengesetzes)?
Mit welchen politischen Rahmenbedingungen ist zu rechnen, z.B.:
- Haltung der Opposition im Deutschen Bundestag
- Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat
- Haltung der Länder und Kommunen
- Haltung wichtiger Fachverbände und wichtiger gesellschaftlicher Gruppen?
Welche Konsequenzen sind aus den politischen Rahmenbedingungen ggf. für die Ausgestaltung des Verfahrens zu ziehen, z.B.
- Verbindung des Vorhabens mit anderem (bereits laufendem) Gesetzgebungsverfahren oder
- Aufspaltung des Vorhabens in mehrere Verfahren (insbesondere in zustimmungs- und nicht zustimmungsbedürftige Teile des Vorhabens), um die Erfolgschancen bei Zweifeln an der Durchsetzbarkeit des gesamten Entwurfs oder einzelner Regelungen zu erhöhen?
Welche zeitlichen Implikationen können sich ergeben, z.B. aus
- einer politischen Weisung (z.B. konkrete Zeitvorgaben)
- einer EU-rechtlichen Verpflichtung (z.B. Umsetzungsfristen)
- einer gerichtlich vorgegebenen Frist
- der Dauer der Legislaturperiode
- der Natur des Regelungsgegenstandes (z.B. Verlängerung der Geltung eines ablaufenden Gesetzes)?
Sind die genannten Rahmenbedingungen bestimmt, wird in aller Regel auch bereits zu bedenken sein, welche Art von Gesetz verwirklicht werden soll. Als Gesetzestypen kommen u.a. in Betracht:
1 Stammgesetz: Rechtsakt des Gesetzgebers zur erstmaligen Regelung einer Materie
2 Änderungsgesetz: Rechtsakt des Gesetzgebers zur Änderung eines oder mehrerer Stammgesetze. Änderungsgesetze lassen sich unterteilen in:
- Einzelnovellen, in denen ein Gesetz geändert wird
- Mantelgesetze, in denen mehrere Gesetze inhaltlich geändert werden und daneben auch neue Stammgesetze enthalten sein können.
Hinweis
Zu den Einzelheiten siehe auch das „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“. Es ist im Internet unter http://hdr.bmj.de/ abrufbar.
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1.8 Erste Unterrichtung der Hausleitung
Nach Abschluss der Vorüberlegungen und nach Aufstellung des Zeitplanes ist die Hausleitung über das geplante Vorhaben zu informieren. Dabei sind die Ziele des Gesetzgebungsvorhabens, die zentralen Regelungen, der grobe Zeitplan sowie weitere bedeutsame Aspekte des Vorhabens (Kosten, mögliche Konfliktpunkte im Ressortkreis oder im Verhältnis zu den Ländern) darzustellen.
Bei politisch weniger bedeutsamen Fachvorhaben kann die Unterrichtung der Hausleitung zu diesem Zeitpunkt zurückgestellt werden und nach Abschluss der Hausabstimmung vor Einleitung der Ressortabstimmung erfolgen.
Soweit dies bei sehr umfangreichen Vorhaben angezeigt ist, sollten in der Vorlage, möglicherweise aber auch schon im Vorfeld, der für die Durchführung des Vorhabens ggf. erforderliche zusätzliche Bedarf an personellen Ressourcen und die ggf. notwendigen organisatorischen Maßnahmen (z.B. die Einrichtung einer referatsübergreifenden Projektgruppe) benannt und zur hausinternen Abstimmung gestellt werden.
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1.9 Exkurs: Einwirkungen politischer Gremien (z.B. Koalitionsrunden) auf das Gesetzgebungsverfahren
Obwohl die GGO dies nicht unbedingt nahelegt, entspricht es in vielen Fällen der Praxis, dass die Beteiligung der Fraktionen und einzelner Abgeordneter die Ausgestaltung des Regierungsentwurfs beeinflusst. So werden z.B. bei politisch bedeutsamen Vorhaben in „Koalitionsrunden“, die sich etwa aus Vertretern von Regierung und Parlament sowie aus hochrangigen Ländervertretern zusammensetzen können, oder in „Koalitionsausschüssen“ bereits vor oder parallel zu laufenden Ressortabstimmungen Beschlüsse gefasst, die Auswirkungen auf das Gesetzgebungsvorhaben haben. Hierdurch werden z.B. im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen mehrheitsfähige Kompromisslösungen für Konfliktpunkte ausgelotet.