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7 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung

Der Bundesrat ist zur Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung berechtigt, jedoch nicht verpflichtet (Artikel 76 Absatz 2 Satz 2 GG). Die Stellungnahme des Bundesrates ist für keinen Verfahrensbeteiligten bindend. Er kann daher bei der späteren Beratung des Gesetzesbeschlusses nach Artikel 77 Absatz 2 GG (sog. zweiter Durchgang im Bundesrat) ohne Weiteres anders votieren. Der Regierungsentwurf erfährt im Bundestag vielfach Änderungen, mit denen sich der Bundesrat daher erst im zweiten Durchgang befassen kann.

Die reguläre Frist, die dem Bundesrat für seine Stellungnahme gesetzt ist, beträgt sechs Wochen (Artikel 76 Absatz 2 Satz 2 GG). Von dieser Regel gibt es folgende Ausnahmen:

  • Die Frist beträgt neun Wochen ohne besonderes Verlangen des Bundesrates, wenn der Regierungsentwurf Änderungen des GG oder die Übertragung von Hoheitsrechten nach den Artikeln 23, 24 GG vorsieht (Artikel 76 Absatz 2 Satz 5 GG).
  • Auf ausdrückliches Verlangen des Bundesrates, insbesondere wenn die Regierungsvorlage sehr umfangreich ist, beträgt die Frist ebenfalls neun Wochen (Artikel 76 Absatz 2 Satz 3 GG).
  • Hat die Bundesregierung eine Vorlage bei der Zuleitung an den Bundesrat als besonders eilbedürftig bezeichnet, kann sie dem Bundestag die Vorlage bereits nach drei Wochen zuleiten, auch wenn die Stellungnahme des Bundesrates noch nicht bei ihr eingegangen ist (Artikel 76 Absatz 2 Satz 4, 1. Alternative GG). In diesem Fall hat die Bundesregierung dem Bundestag die Stellungnahme des Bundesrates unverzüglich nach Eingang nachzureichen.

In den Fällen der Fristverlängerung von sechs auf neun Wochen kann eine frühere Zuleitung an den Bundestag jedoch nicht bereits nach drei, sondern erst nach sechs Wochen erfolgen (Artikel 76 Absatz 2 Satz 4, 2. Alternative GG). Eine Fristverkürzung wegen Eilbedürftigkeit ist ausgeschlossen, wenn der Regierungsentwurf Änderungen des Grundgesetzes oder die Übertragung von Hoheitsrechten nach den Artikeln 23, 24 GG vorsieht (Artikel 76 Absatz 2 Satz 5, letzter Halbsatz GG).

7.1 Beratung in den Ausschüssen und Rolle der Bundesregierung

Das Ausschussverfahren ist der Kern der Beratungen des Gesetzentwurfs im Bundesrat. Hier wird die Vorlage unter allen rechtlichen und fachlichen Gesichtspunkten im Detail analysiert, überarbeitet und für die Abstimmung im Plenum vorbereitet.

Rechtsgrundlagen des Ausschussverfahrens

Die Fachausschüsse sind in Artikel 52 Absatz 4 GG genannt. Regelungen zum Verfahren in den Ausschüssen finden sich in den §§ 11, 12, 36 bis 45 GO BR.

Bedeutung der Ausschüsse

Der Bundesrat tritt in der Regel alle drei Wochen zusammen und behandelt dabei eine Vielzahl von Tagesordnungspunkten. Die notwendigerweise komprimierte Arbeitsweise des Plenums ist nur durch eine effektive und sorgfältige Beschlussvorbereitung in den Ausschüssen möglich (§ 39 Absatz 1 GO BR). In den Ausschüssen des Bundesrates wird die Vorlage aus der Sicht der Länderinteressen unter rechtlichen und fachlichen Gesichtspunkten analysiert, überarbeitet und für die Abstimmung im Bundesrats-Plenum vorbereitet. Dabei erarbeiten die Ausschüsse Beschluss-Empfehlungen (§ 45 GO BR), wie mit den Gesetzgebungsvorhaben verfahren werden soll. Die Empfehlungen aller beteiligten Ausschüsse werden in der sog. Empfehlungs- oder Strichdrucksache zusammengefasst. Die Abstimmung im Plenum wird dann anhand dieser Empfehlungen vorgenommen.

Organisation der Ausschüsse

Im Bundesrat gibt es derzeit 16 Fachausschüsse. Die Kompetenz zur Einsetzung von Ausschüssen ist in § 11 Absatz 1 Satz 1 GO BR geregelt. Die Aufgaben der Ausschüsse orientieren sich im Wesentlichen an den Zuständigkeiten der Bundesressorts. Der Rechtsausschuss beschäftigt sich also etwa mit den Vorlagen, für die das Bundesministerium der Justiz federführend zuständig ist, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten hingegen mit den Vorlagen, für die das Bundesministerium des Innern die Federführung hat.

Die Anzahl der Ausschüsse entspricht der Anzahl der Länder. Jedes Land stellt in einem Ausschuss den Vorsitzenden, der vom Plenum gewählt wird (§ 12 Absatz 1 GO BR), und in einem anderen Ausschuss den Stellvertreter, der vom Ausschuss selbst gewählt wird (§ 12 Absatz 2 GO BR). Die Mitglieder in den Ausschüssen werden von den Landesregierungen benannt (§ 11 Absatz 3 GO BR). Sie müssen zugleich Mitglieder des Bundesrates sein (§ 11 Absatz 2 GO BR). Es sind dies in der Regel die jeweiligen Fachminister. Diese lassen sich aber meist durch Beauftragte, dies sind Beamte ihres Hauses, vertreten, was nach Artikel 52 Absatz 4 GG und § 11 Absatz 2 GO BR möglich ist.

Jedem Ausschuss steht eine Geschäftsstelle, das Ausschussbüro, zur Verfügung. Diese besteht aus dem jeweiligen Ausschusssekretär und seinen Mitarbeitern. Ein Ausschusssekretär kann mehrere Ausschüsse betreuen.

Einleitung der Beratungen

Der erste Schritt für die Einleitung der Beratungen ist die Zuweisung der Vorlage an die Fachausschüsse (§ 36 GO BR). Dabei wird festgelegt, welcher Ausschuss die Federführung hat (§ 36 Absatz 1 Satz 1 GO BR). Der federführende Ausschuss kann nicht – wie im Bundestag – die anderen überstimmen; er ist aber für die Abfassung der Empfehlungsdrucksache und für die Erstellung der begleitenden Drucksachen (Erläuterungen etc.) zuständig.

An den Beratungen können mehrere Ausschüsse beteiligt sein, dies ist im ersten Durchgang die Regel. Gleichwohl gilt die Konzentrationsmaxime nach § 36 Absatz 1 Satz 2 GO BR. Nach dieser sind an den Beratungen möglichst wenige Ausschüsse zu beteiligen.

Einzelheiten der Ausschussberatungen

a) Ablauf

Die beteiligten Ausschüsse beraten die Vorlagen parallel und unabhängig voneinander. Je nach Gegenstand und den daraus folgenden Fristen werden die Vorlagen auf die Tagesordnungen der in einem regelmäßigen Turnus von drei Wochen stattfindenden Ausschusssitzungen gesetzt. Ein sog. Berichterstatterplan bestimmt das Land, das zu der Vorlage Bericht erstatten soll. Dieses Land führt dann bis zur Sitzung die fachspezifische Prüfung der Vorlage durch, also im Rechtsausschuss z.B. die verfassungsrechtliche Prüfung oder im Finanzausschuss die haushaltsrechtliche Prüfung.

Die Beratungen selbst beginnen mit der Berichterstattung. Ein Vertreter des Bericht erstattenden Landes trägt das Ergebnis der fachlichen Prüfung vor. Danach folgt die Befassung mit den jeweiligen Änderungsanträgen oder Prüfbitten der Länder, die dem Ausschussbüro meist schon vorab zugesandt wurden. In der Regel handelt es sich um konkrete Änderungsvorschläge mit einer Begründung, in der erläutert wird, was mit der jeweiligen Norm geschehen soll (geändert, gestrichen, ergänzt, neu gefasst etc.).

Die Anträge werden in der Reihenfolge der Normen, auf die sie sich beziehen, beraten. Die Beratung zu den einzelnen Anträgen endet mit der Abstimmung über den Antrag. Bei einer Kollision von Anträgen (Überschneidungen, Teilüberschneidungen, Ausschlüsse etc.), wenn also etwa ein Land die Streichung von Absatz 1 einer Norm, ein anderes Land aber dessen Ergänzung beantragt, entscheidet der Ausschuss auf Vorschlag des Büros, über welchen Antrag zuerst entschieden wird. In der Regel ist das derjenige, der sich am weitesten von der Vorlage entfernt.

b) Rolle der Bundesregierung

Gemäß Artikel 53 GG haben die Mitglieder der Bundesregierung das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Sie müssen jederzeit gehört werden. Der Bundesrat ist von der Bundesregierung über die Führung der Geschäfte auf dem Laufenden zu halten. Nach § 40 Absatz 1 GO BR können Beauftragte der Bundesregierung – dies sind im Allgemeinen fachlich kompetente Vertreter der federführend zuständigen Ministerien – an den Ausschusssitzungen ohne Stimmrecht teilnehmen. Sie haben hier keine aktive Rolle und verfolgen in erster Linie den Gang der Beratungen, um über das Meinungsbild im Bundesrat informiert zu sein. Daneben stehen sie den Ausschussmitgliedern für die Beantwortung von Fragen zum Gesetzentwurf zur Verfügung.

c) Abstimmungen

Im Ausschuss hat jedes Land eine Stimme (§ 42 Absatz 2 GO BR), während es im Plenum eine Stimmengewichtung gibt (Artikel 51 Absatz 2 GG). Bei der Bewertung von Abstimmungsergebnissen in den Ausschüssen ist also zu berücksichtigen, ob eine sogenannte Plenarmehrheit vorliegt. Während in den Ausschüssen die Meinungsbildung der einzelnen Länder nach dem sog. Ressortprinzip erfolgt (im Rechtsausschuss beispielsweise werden die Ländervoten also in den Justizministerien festgelegt), entscheiden über das Abstimmungsverhalten im Plenum die jeweiligen Länderkabinette.

Am Ende der Beratung der Vorlage wird über die Empfehlung des Ausschusses abgestimmt. Im Fall der Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung muss also der Ausschuss darüber befinden, ob er den Entwurf ablehnt, Änderungen vorschlägt oder ob er keine Einwendungen erhebt.

d) Abschluss der Ausschussberatungen

Die Ausschussphase endet in der Regel mit der Erstellung der sog. Empfehlungs- oder Strichdrucksache. Diese zu erstellen, ist Aufgabe des federführenden Ausschusses. Er hat dabei auf widerstreitende oder kollidierende Ausschussempfehlungen zu achten. Denn es ist möglich, dass ein Ausschuss die Streichung einer Vorschrift, ein anderer aber deren Neufassung empfiehlt. Dies muss durch entsprechende Randvermerke oder Fußnoten deutlich gemacht werden.

7.2 Beschluss des Plenums

Anders als in den Ausschussabstimmungen, in denen jedes Land eine Stimme hat, gilt für die Plenarabstimmungen die Stimmenverteilung nach Artikel 51 Absatz 2 GG. Beschlüsse können im Bundesrat nach Artikel 52 Absatz 3 GG und nach § 30 Absatz 1 GO BR nur mit absoluter Mehrheit, bei Verfassungsänderungen sogar nur mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen des Bundesrates (Artikel 79 Absatz 2 GG) gefasst werden. Nach § 30 GO BR ist die Abstimmungsfrage jeweils positiv zu formulieren. Gezählt werden nur die Ja-Stimmen jeder Abstimmung. Ob sich Länder im Einzelfall enthalten oder mit „Nein“ stimmen, ist damit in der Regel nicht erkennbar und hat auf das Abstimmungsergebnis keinen Einfluss.

Einheitliche Stimmabgabe eines Landes

Nach Artikel 51 Absatz 3 Satz 2 GG kann jedes Land seine Stimmen nur einheitlich abgeben. Die Landesregierungen müssen sich also vor den Abstimmungen im Bundesrat jeweils intern darüber einigen, wie sie die Stimmen abgeben wollen. Insbesondere für Koalitionsregierungen kann das Abstimmungsverhalten im Bundesrat politisch schwierig sein. Koalitionsvereinbarungen sehen daher häufig Vereinbarungen darüber vor, dass sie sich im Fall eines nicht lösbaren Streits der Stimme enthalten. Die vorgeschriebene einheitliche Stimmabgabe verhindert außerdem, dass sich die Stimmen eines Landes gegenseitig aufheben. Weisungen für die Stimmabgabe kann nur die Landesregierung beschließen. Der Ministerpräsident als Inhaber einer landesrechtlichen Richtlinienkompetenz oder der Landtag sind dazu nach dem Grundgesetz nicht befugt. Die Landesregierungen sind aber auch insoweit parlamentarisch verantwortlich und können darum vom Landesparlament wegen ihrer Haltung im Bundesrat zur Rechenschaft gezogen werden.

Ablauf der Stimmabgabe

Die Stimmen eines Landes werden durch seine Bundesratsmitglieder abgegeben. Wer aus dem Kreis dieser Vertreter die Stimmen des Landes abgibt, bestimmen die Vertreter der Landesregierung in der Regel im Vorfeld einer Bundesratssitzung oder während der laufenden Plenarsitzung selbst. Es stimmt jeweils nur ein Mitglied, der sog. Stimmführer, für jedes Land. Er gibt jeweils alle Stimmen ab, auch wenn keine weiteren Vertreter seines Landes in der Sitzung anwesend sind. In den allermeisten Fällen wird durch Beschluss der Landesregierung festgelegt, wie die Stimmen des Landes im Bundesrat abgegeben werden sollen. Manchmal räumt das Kabinett dem Stimmführer aber auch Ermessensfreiheit ein. Er kann sich dann mit anderen Ländern abstimmen, hat die Möglichkeit, einen vermittelnden Standpunkt zu vertreten, und kann neue, erst nach der Kabinettssitzung eintretende Umstände berücksichtigen.

Ungültigkeit bei unterschiedlichem Stimmverhalten

Das Grundgesetz erwartet die einheitliche Stimmabgabe und respektiert die Praxis der landesautonom bestimmten Stimmführer, ohne seinerseits mit Geboten und Festlegungen in den Verfassungsraum des Landes einzugreifen. Daraus folgt – so hat das Bundesverfassungsgericht 2002 (BVerfGE 106, 310) entschieden –, dass der Abgabe der Stimmen durch einen Stimmführer jederzeit durch ein anderes Bundesratsmitglied desselben Landes widersprochen werden kann und damit die Voraussetzungen für die Stimmführerschaft insgesamt entfallen. Der Bundesratspräsident nimmt somit in der Sitzung die Stimme eines einzelnen Bundesratsmitglieds als Stimmabgabe für das ganze Land entgegen, sofern nicht ein anderes Mitglied des jeweiligen Landes abweichend abstimmt. Wird aber uneinheitlich abgestimmt, so ist die Abstimmung dieses Landes ungültig; der gespaltene Landeswille wird im Abstimmungsergebnis des Bundesrates nicht berücksichtigt.

Feststellung der abgegebenen Stimmen

Im Bundesrat wird in der Regel durch Handaufheben abgestimmt. Wegen der vielen Abstimmungen, die in jeder Sitzung durchzuführen sind, stellt der Bundesratspräsident nur die Ja-Stimmen und damit die Mehrheit oder Minderheit fest (s.o.). Gegenstimmen und Stimmenthaltungen, die für die absolute Mehrheit ohne Bedeutung sind, werden nicht ausgezählt.

Bei Verfassungsänderungen und anderen besonders wichtigen Gesetzentwürfen werden die Länder in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen, um ihre Stimmen durch Zuruf abzugeben. In diesem Fall wird ihr Stimmverhalten im Sitzungsbericht festgehalten. Geheime Abstimmungen kennt die Geschäftsordnung des Bundesrates nicht.

Dokumentation: Beschlussdrucksache

Das Ergebnis der Plenarbeschlüsse wird in der sog. Beschlussdrucksache dokumentiert. Da das Plenum in der Regel nicht alle Ausschussempfehlungen übernimmt, hat die Beschlussdrucksache häufig einen deutlich geringeren Umfang als die Empfehlungsdrucksache der federführenden Ausschüsse (sog. Strichdrucksache) an den Bundesrat.

Übersendung der Stellungnahme des Bundesrates an die Bundesregierung

Der Präsident des Bundesrates übersendet dem Bundeskanzler die vom Plenum beschlossene Stellungnahme unmittelbar nach Abschluss der Beratungen.

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