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1 Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gesetzgebung des Bundes

1.1. Normtypen und Normenhierarchie

Deutschland ist ein föderaler Staat. Bund und Länder weisen jeweils eine eigenständige Normgebung auf. Dementsprechend wird zwischen Bundes- und Landesrecht unterschieden.

Innerhalb dieser Rechtssphären sind jeweils verschiedene Normtypen zu unterscheiden:

  • Verfassung (Grundgesetz bzw. Landesverfassungen),
  • förmliche (einfache) Gesetze,
  • Rechtsverordnungen,
  • (autonome) Satzungen und
  • Verwaltungsvorschriften.

Die einzelnen Normtypen stehen in einem hierarchischen Verhältnis, d.h., dass die jeweils höherrangige Norm die im Rang niedrigere im Konfliktfall verdrängt bzw. nichtig werden lässt. Für den Konfliktfall zwischen Bundes- und Landesrecht ist dies in Artikel 31 des Grundgesetzes (GG) ausdrücklich geregelt („Bundesrecht bricht Landesrecht“), ansonsten ergibt sich dieser Grundsatz aus allgemeinen Verfassungsprinzipien bzw. – für das Verhältnis zwischen förmlichem Gesetz und Rechtsverordnung – aus Artikel 80 Absatz 1 GG. Zu beachten ist indessen, dass der Vorrang des Bundesrechts vor dem Landesrecht nur insoweit gilt, als der Bund für die jeweilige Regelung eine im GG verankerte Regelungskompetenz hat.
Erlässt der Bund außerhalb seiner Kompetenzen Normen, sind diese nichtig.

Konkret gestaltet sich die Normenhierarchie wie folgt:

I. Bundesrecht

  1. Verfassung (Grundgesetz)
  2. Förmliches Gesetz
  3. Rechtsverordnung
  4. Satzung
  5. Verwaltungsvorschrift

II. Landesrecht

  1. Landesverfassung
  2. Förmliches Gesetz
  3. Rechtsverordnung
  4. Satzung
  5. Verwaltungsvorschrift

Das Recht der Europäischen Union (sowohl Primär- als auch Sekundärrecht) hat gegenüber dem nationalen Recht generell Vorrang. Es handelt sich dabei um einen Anwendungs- und nicht um einen Geltungsvorrang, d.h. kollidierendes nationales Recht wird unanwendbar, verliert jedoch nicht seine Gültigkeit.
Artikel 25 GG besagt: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“ Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts haben einen Rang oberhalb einfacher Bundesgesetze, aber unterhalb des Grundgesetzes (sog. Zwischenrang), völkerrechtliche Verträge haben den Rang eines förmlichen (einfachen) Bundesgesetzes, allerdings im Unterschied zu sonstigen Bundesgesetzen, dass sie nicht durch lex posterior verdrängt werden und sonstiges Bundesrecht in ihrem Licht auszulegen ist.

1.1.1 Förmliche Gesetze

Definition:
Förmliche Gesetze sind abstrakt-generelle Regelungen mit Außenwirkung, welche der parlamentarische Gesetzgeber in dem von der Verfassung dafür vorgeschriebenen Verfahren erlässt.

„Außenwirkung“ bedeutet, dass die Normen auf den Rechtskreis des Bürgers[1] unmittelbar bindend einwirken, mithin nicht nur eine auf den Binnenbereich des Staates beschränkte Wirkung entfalten.

Unterschieden werden einfache und verfassungsändernde förmliche Gesetze. Das Gesetzgebungsverfahren ist in den Artikeln 76 bis 82 GG geregelt. Die besonderen Anforderungen für verfassungsändernde Gesetze ergeben sich aus Artikel 79 Absatz 1 und 2 GG (Erfordernis einer ausdrücklichen Textänderung sowie Zweidrittelmehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften Bundestag und Bundesrat). Verfassungsändernde Gesetze, welche die Menschenwürde oder die in Artikel 20 GG niedergelegten Staatsstrukturprinzipien (Prinzip der Republik, Grundsatz der Gewaltenteilung, Demokratie-, Rechtsstaats-, Sozialstaats- und Bundesstaatsprinzip) berühren, sind unzulässig (Artikel 79 Absatz 3 GG).

Hinweis
Ein vollständiges Verzeichnis der jeweils aktuell geltenden förmlichen Bundesgesetze findet sich auf der Webseite www.gesetze-im-internet.de des Bundesministeriums der Justiz. Hier besteht die Möglichkeit zur Titel- und Volltextsuche.

Bei der Vorbereitung und Gestaltung von Gesetzesvorhaben sind das Kapitel 6 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) und das vom Bundesministerium der Justiz herausgegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit zu beachten.

1.1.2 Rechtsverordnungen

Definition:
Rechtsverordnungen sind abstrakt-generelle Regelungen mit Außenwirkung, welche die Exekutive auf der Grundlage einer durch ein förmliches Gesetz erteilten Ermächtigung erlässt.

Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Verordnungsgebung aufgrund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung sind in Artikel 80 Absatz 1 GG geregelt. Zur Verordnungsgebung ermächtigt werden können nur die Bundesregierung, ein einzelner Bundesminister oder die Landesregierungen (also nicht der Bundespräsident oder einzelne Landesminister). Dabei müssen Inhalt, Ausmaß und Zweck der erteilten Ermächtigung im Gesetz hinreichend bestimmt sein. Diese Anforderung folgt aus dem Demokratieprinzip (Artikel 20 Absatz 2 GG) und dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Artikel 20 Absatz 3 GG). Danach hat das Parlament das Rechtsetzungsmonopol. Artikel 80 GG ist – durch die enge Anbindung der verordnungsgebenden Exekutive an die Vorgaben des Parlaments – eine systemkonforme Ausnahme von diesen Prinzipien. Rechtsverordnungen, die nicht von einer gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sind, sind nichtig.

Hinweis
Ein vollständiges Verzeichnis der jeweils aktuell geltenden förmlichen Rechtsverordnungen findet sich auf der Webseite www.gesetze-im-internet.de des Bundesministeriums der Justiz. Es besteht die Möglichkeit zur Titel- und der Volltextsuche.

Bei der Vorbereitung und Gestaltung von Rechtsverordnungen sind die Vorgaben der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (§§ 62 ff. GGO) und das vom Bundesministerium der Justiz herausgegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit zu beachten.
>> Zu weiteren Informationen und Hinweisen zur Vorbereitung und Gestaltung von Rechtsvorschriften siehe Teil V.

1.1.3 Satzungen

Definition:
Satzungen sind abstrakt-generelle Regelungen mit Außenwirkung, welche von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erlassen werden, die kraft Verfassung oder aufgrund einfachgesetzlicher Regelungen mit beschränkter Rechtsetzungsautonomie ausgestattet sind.

In Deutschland gibt es in vielen Bereichen Selbstverwaltungskörperschaften. Diese haben eine demokratische Binnenstruktur. Zu nennen sind z.B. die Industrie- und Handelskammern, die Rechtsanwalts-, Notar-, Ärzte- oder Architektenkammern. Sie regeln durch Satzungen etwa weite Teile des Berufsrechts sowie der entsprechenden Ausbildungsgänge und Zugangsvoraussetzungen. Als Beispiele zu nennen sind ferner die Universitäten und die Gemeinden. Aber auch die Träger der Sozialversicherung verfügen in erheblichem Umfang über Selbstverwaltungsautonomie. Dies ermöglicht ihnen den Erlass von Satzungen.

1.1.4 Verwaltungsvorschriften

Definition:
Verwaltungsvorschriften sind abstrakt-generelle Regelungen ohne unmittelbare Außenwirkung, die von der Exekutive zur Ausgestaltung der eigenen Verwaltungstätigkeit erlassen werden. Sie dienen dazu, eine einheitliche Rechtsanwendung innerhalb der Verwaltung zu gewährleisten.

Die Bandbreite der Verwaltungsvorschriften ist in der Praxis sehr groß. Sie reicht von organisationsrechtlichen Bestimmungen bis zu innerdienstlichen Anweisungen für die Auslegung und Anwendung gesetzlicher Bestimmungen durch die Bediensteten von Behörden (sog. norminterpretierende Verwaltungsvorschriften). Zu beachten ist in solchen Fällen stets, dass die Verwaltungsvorschriften über die gesetzlichen Vorgaben weder hinausgehen noch hinter ihnen zurückbleiben dürfen.
>> Zu weiteren Informationen und Hinweisen zur Vorbereitung und Gestaltung von Verwaltungsvorschriften siehe Teil VI.

1.1.5 Exkurs: Hoheitliche Regulierung und Selbstregulierung

Neben hoheitliche Regelungen treten zunehmend Normen, die von gesellschaftlichen Gruppen, Verbänden und Organisationen für ihren Wirkungskreis geschaffen werden. Der Sinn solcher Selbstregulierung besteht darin, durch gesellschaftliche Initiativen hoheitliche Regulierung entbehrlich zu machen. Vorteile dieser Praxis sind die Vermeidung staatlicher Überregulierung, sachnahe und flexible Problemlösungen sowie ein hohes Maß gesellschaftlicher Teilhabe an der Gestaltung des Gemeinwesens. Eine Gefahr der Selbstregulierung besteht darin, dass sie zur Durchsetzung einseitiger Interessen der normsetzenden Akteure missbraucht wird.

In Deutschland hat die Selbstregulierung eine lange Tradition und erstreckt sich auf viele Bereiche, z.B. den Mediensektor, den Jugend- oder den Umweltschutz. Unterschieden werden verschiedene Formen der Selbstregulierung, je nachdem, ob der Gesetzgeber für die Selbstregulierung Vorgaben festlegt (sog. regulierte Selbstregulierung – wie z.B. im Jugendschutz) oder nicht (sog. freie Selbstregulierung – wie z.B. der Verhaltenskodex für Journalisten und Verlage des von den Presseverbänden getragenen Deutschen Presserates).

Fußnote

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird hier und im Folgenden auf die Verwendung von Paarformen verzichtet. Stattdessen wird die grammatikalisch maskuline Form verallgemeinernd verwendet (generisches Maskulinum). Diese Bezeichnungsform umfasst gleichermaßen weibliche und männliche Personen, die damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen sind.

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