1 Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Gesetzgebung des Bundes
1.5 Gesetzgebungsverfahren
1.5.1 Gesetzesinitiativen
Gesetzesinitiativen gehen nicht nur vom Deutschen Bundestag aus. Nach Artikel 76 Absatz 1 GG können Gesetzentwürfe aus der „Mitte des Bundestages“ (dies sind mindestens 5 % der Mitglieder des Bundestages oder eine Fraktion), von der Bundesregierung oder durch den Bundesrat in den Bundestag eingebracht werden. Den Kreis der Gesetzesinitianten regelt Artikel 76 Absatz 1 GG abschließend.[2]
Der kooperative Stil des deutschen Verfassungssystems zeigt sich gerade auch in der Gesetzgebung. Zwar hat der Bundestag auf diesem Gebiet die alleinige Kompetenz, doch spielt die Bundesregierung nicht nur durch ihre Gesetzesinitiativen, sondern auch durch ihre intensive fachliche Unterstützung des Bundestages im gesamten Gesetzgebungsverfahren eine unverzichtbare Rolle.
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1.5.2 Beratung von Vorlagen im Bundestag
Nach Artikel 77 Absatz 1 GG werden die Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen. Die Geschäftsordnung des Bundestages (GO-BT) regelt das Verfahren der Beschlussfassung. Danach müssen die Vorlagen grundsätzlich in drei Beratungen (Lesungen) behandelt werden. Zwischen der ersten und der zweiten bzw. dritten Lesung werden die Vorlagen in den Bundestagsausschüssen beraten.
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1.5.3 Beratung von Gesetzesbeschlüssen im Bundesrat
Die Rolle des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren ergibt sich in Bezug auf die Gesetzesbeschlüsse des Bundestages aus Artikel 77 GG. Danach sind dem Bundesrat alle Gesetzesbeschlüsse zuzuleiten. Seine Stellung im Verfahren richtet sich danach, ob es sich bei dem fraglichen Gesetz um ein sog. Zustimmungsgesetz (Artikel 77 Absatz 2 und 2a GG) oder um ein sog. Einspruchsgesetz (Artikel 77 Absatz 2, 3 und 4 GG) handelt. Im Fall eines Zustimmungsgesetzes kann der Bundesrat das Zustandekommen eines Gesetzes durch Versagung seiner Zustimmung verhindern. Ein Einspruchsgesetz kann der Bundesrat nur dann verhindern, wenn der von ihm erhobene Einspruch vom Bundestag nicht mit der erforderlichen Mehrheit überstimmt wird (zum Verfahren siehe Artikel 77 Absatz 3 und 4 GG). Wann ein Zustimmungs- oder Einspruchsgesetz vorliegt, ist im Grundgesetz kasuistisch-enumerativ geregelt.
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1.5.4 Sonderfall: Beratung der Vorlagen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat
Ist der Bundesrat mit einem Gesetzesbeschluss des Bundestages nicht einverstanden, muss er bei Einspruchsgesetzen, bevor er seinen Einspruch dagegen einlegt, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat (VA) anrufen. Bei Zustimmungsgesetzen hat der Bundesrat die Wahl, ob er den Vermittlungsausschuss anruft oder ob er seine Zustimmung zum Gesetz verweigert. Stimmt der Bundesrat dem Gesetz nicht zu, können Bundestag oder Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen. Das Vermittlungsverfahren ist in Artikel 77 Absatz 2 und 3 GG geregelt. Es hat das Ziel, ein drohendes Scheitern des Gesetzesvorhabens zu verhindern. Deshalb ist der Vermittlungsausschuss paritätisch aus jeweils 16 Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates zusammengesetzt. Diese sind nicht an Weisungen gebunden. Der Vermittlungsausschuss unterbreitet Bundestag und Bundesrat in der Regel Einigungsvorschläge, die diese aber nicht binden. In der Praxis enden die Vermittlungsverfahren zumindest bei Zustimmungsgesetzen häufig mit einem Kompromissvorschlag, der dann von Bundestag und Bundesrat angenommen wird, so dass das Gesetz dann in der Fassung des Vermittlungsvorschlags zustande kommt.
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1.5.5 Zustandekommen von Gesetzen
Nach Artikel 78 GG ist für das Zustandekommen eines Bundesgesetzes zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen zu unterscheiden.
Einspruchsgesetz
Ein Einspruchsgesetz kommt zustande, wenn
- der Bundesrat keinen Einspruch erhebt oder
- der Bundestag den vom Bundesrat erhobenen Einspruch mit der erforderlichen Mehrheit überstimmt (einfache Mehrheit der anwesenden Abgeordneten, Artikel 77 Absatz 4 Satz 1 GG, oder – bei Zweidrittelmehrheit bei Beschlussfassung im Bundesrat – Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten, mindestens aber die Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Bundestages, Artikel 77 Absatz 4 Satz 2 GG).
Zustimmungsgesetz
Ein Gesetz kommt nur dann zustande, wenn der Bundesrat ihm zustimmt. Ein Gesetz ist nur dann zustimmungsbedürftig, wenn das GG es ausdrücklich bestimmt. Zustimmungsbedürftigkeit auslösende Tatbestände sind vor allem:
- gesetzliche Bestimmungen, für deren Umsetzung durch die Länder die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren ohne landesrechtliche Abweichungsmöglichkeit geregelt werden (Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 und 6 GG)
- finanzverfassungsrechtliche Gründe, vor allem mit Bezug auf die Artikel 104a Absatz 4, 105 Absatz 3, 108 Absatz 5 GG.
>> Eine Auflistung der einschlägigen Bestimmungen des GG enthält Teil III 2.1
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1.5.6 Verkündung und Inkrafttreten der Gesetze
Ein gemäß Artikel 78 GG zustande gekommenes Bundesgesetz wird nur dann rechtswirksam, wenn es auch formell in Kraft getreten ist. Nach Artikel 82 Absatz 1 Satz 1 GG ist hierfür erforderlich, dass der Bundespräsident das Gesetz nach Gegenzeichnung durch die Bundesregierung ausfertigt (Artikel 58 GG) und es anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet wird. Die Gegenzeichnung der Bundesregierung erfolgt durch den federführenden Minister, das Bundeskanzleramt und die Minister der Ressorts, deren Belange wesentlich betroffen sind. Gesetze, die die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben nach sich ziehen (Artikel 113 GG), sind vom Bundesminister der Finanzen gegenzuzeichnen.
Das Gesetz tritt entweder zu dem im Gesetz ausdrücklich festgelegten Zeitpunkt oder – falls eine solche Bestimmung fehlt – 14 Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist (Artikel 82 Absatz 2 GG).
Der Bundespräsident hat das Recht, ihm zur Ausfertigung vorgelegte Gesetze daraufhin zu prüfen, ob sie verfassungskonform sind. Verstößt ein Gesetz nach seiner Einschätzung gegen Verfahrensbestimmungen des GG oder ist es nach seiner Auffassung materiell verfassungswidrig, so kann der Bundespräsident die Ausfertigung des Gesetzes verweigern. Das Gesetz tritt damit nicht in Kraft. In einem solchen Fall bleibt dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat die Möglichkeit, die Verfassungskonformität der Norm und damit die Rechtswidrigkeit der Weigerung des Bundespräsidenten durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines sog. Organstreitverfahrens (Artikel 93 Absatz 1 Nummer 1 GG) prüfen zu lassen.
Hinweis
Detaillierte Informationen über Stellung, Funktion und Aufgaben des Bundespräsidenten sind im Internet unter www.bundespraesident.de verfügbar.
Fußnote