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5 Sonderfall: Allgemeine Verwaltungsvorschriften

Das Grundgesetz kennt nur den Begriff der allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Dieser findet in Artikel 84 Absatz 2, Artikel 85 Absatz 2, Artikel 86 Satz 1 und in Artikel 108 Absatz 7 GG Verwendung.

5.1 Definition

Allgemeine Verwaltungsvorschriften sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Regelungen, „die für eine abstrakte Vielheit von Sachverhalten des Verwaltungsgeschehens verbindliche Aussagen treffen, ohne auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet zu sein“ (BVerfGE 100, 249, 258). Sie sind in Abgrenzung zu Einzelweisungen zu sehen, die für konkrete Sachverhalte rechtsverbindliche Aussagen ohne Außenwirkung treffen.

5.2 Arten

Bei allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist zu unterscheiden, in welcher Vollzugsform Bundesgesetze vollzogen werden und welcher Verwaltungsbereich von ihnen betroffen ist. Hiervon hängt ab, wer zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften befugt ist.

Allgemeine Verwaltungsvorschriften i.S.d. Artikels 84 Absatz 2 und des Artikels 85 Absatz 2 GG

Allgemeine Verwaltungsvorschriften i.S.d. Artikels 84 Absatz 2 und des Artikels 85 Absatz 2 GG dienen dem Vollzug des Bundesrechts als landeseigene Angelegenheit bzw. der Ausführung der Bundesgesetze im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung. Ermächtigungsadressat des Artikels 84 Absatz 2 und des Artikels 85 Absatz 2 GG ist die Bundesregierung als Kollegialorgan und nicht ein oder mehrere Bundesminister.

Durch allgemeine Verwaltungsvorschriften nach Artikel 84 Absatz 2 und nach Artikel 85 Absatz 2 GG soll eine einheitliche Ausführung des Bundesrechts durch die landeseigene Verwaltung bzw. eine einheitliche Ausführung des Bundesrechts im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gewährleistet werden. Diese Verwaltungsvorschriften gehen entsprechenden Landesvorschriften vor und bedürfen der Zustimmung des Bundesrates (Ausnahme: abweichende Regelung nach Artikel 87b Absatz 3 Satz 2, 2. Halbsatz GG).

Da allgemeine Verwaltungsvorschriften nach Artikel 84 Absatz 2 und nach Artikel 85 Absatz 2 GG unmittelbar auf diese Vorschriften gestützt werden können, ist es nicht erforderlich, in Gesetzen Einzelermächtigungen zum Erlass vorzusehen. Diese sind nur erforderlich, wenn weitergehende Beteiligungsrechte Dritter geschaffen werden sollen (z.B. Anhörungsrechte zugunsten Dritter). Es ist darauf zu achten, dass nur die Bundesregierung und nicht ein oder mehrere Bundesminister allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen können.

Allgemeine Verwaltungsvorschriften i.S.d. Artikels 86 Satz 1 GG

Hier handelt es sich um allgemeine Verwaltungsvorschriften, die einen einheitlichen Vollzug des Bundesrechts in den Fällen sichern, in denen abweichend von Artikel 83 GG die Ausführungszuständigkeit beim Bund liegt, der Gesetzesvollzug der Länder also ausgeschlossen ist.

Ermächtigungsadressat ist grundsätzlich die Bundesregierung. Auch allgemeine Verwaltungsvorschriften nach Artikel 86 Satz 1 GG können unmittelbar auf diese Vorschrift gestützt werden, so dass eine einfachgesetzliche Einzelermächtigung zum Erlass nicht erforderlich ist. Aufgrund des Vorbehalts („soweit nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt“) ist es jedoch möglich – im Unterschied zu allgemeinen Verwaltungsvorschriften i.S.d. Artikels 84 Absatz 2 und des Artikels 85 Absatz 2 GG, die nur von der Bundesregierung erlassen werden können –, einen einzelnen oder mehrere Bundesminister einfachgesetzlich zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Artikel 86 Satz 1 GG zu ermächtigen.

Unberührt bleibt trotz Artikel 86 Satz 1 GG das aus seiner Geschäftsleitungsbefugnis (Artikel 65 Satz 2 GG) folgende Recht eines Bundesministers, im Rahmen der Gesetze und vorrangiger Verwaltungsvorschriften für seinen Verwaltungsbereich Verwaltungsvorschriften zu erlassen (z.B. in Form eines Erlasses).

Allgemeine Verwaltungsvorschriften i.S.d. Artikels 108 Absatz 7 GG

Artikel 108 Absatz 7 GG ermächtigt die Bundesregierung zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften im Bereich der Finanzverwaltung und verdrängt insofern Artikel 84 Absatz 2, Artikel 85 Absatz 2 und Artikel 86 Satz 1 GG. Die Vorschrift ermächtigt nur die Bundesregierung; anders als Artikel 86 Satz 1 steht diese Vorschrift nicht unter dem Vorbehalt abweichender gesetzlicher Regelung.

Zweck der Ermächtigung sind die Sicherung der finanziellen Interessen des Bundes und die Einheitlichkeit der Besteuerung. Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Artikel 108 Absatz 7 GG bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie für die Verwaltung der Landesfinanzbehörden oder der Gemeinden und Gemeindeverbände gelten.

5.3 Verfahren beim Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften

Das Verfahren zum Erlass von Verwaltungsvorschriften ist dem des Rechtsetzungsverfahrens in weiten Teilen angeglichen. § 70 Absatz 1 Satz 2 GGO erklärt zahlreiche Bestimmungen dieses Verfahrens für entsprechend anwendbar. Zudem ist auch hier die Richtlinie der Bundesregierung zur Gestaltung, Ordnung und Überprüfung von Verwaltungsvorschriften des Bundes (VwVR) vom 20. Dezember 1989 (GMBl. 1990, S. 39 ff.) zu beachten (Annex 4 ).

>> Eine schematische Übersicht über das Verfahren beim Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften durch den Bund gibt Annex 5.

5.4 Formale Anforderungen an die Gestaltung von allgemeinen Verwaltungsvorschriften

Allgemeine Verwaltungsvorschriften i.S.d. Artikels 84 Absatz 2, des Artikels 85 Absatz 2, des Artikels 86 Satz 1 oder des Artikels 108 Absatz 7 GG sind gemäß den §§ 69 ff. GGO und den nachfolgenden Anforderungen (vgl. § 69 Absatz 2 GGO) zu gestalten. Ergänzend sind die Vorgaben zur Gestaltung von Rechtsverordnungen der GGO und des vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen „Handbuchs der Rechtsförmlichkeit“ heranzuziehen.

Bezeichnung

Allgemeine Verwaltungsvorschriften müssen nach § 69 Absatz 1 GGO in der Bezeichnung die Rangangabe „Allgemeine Verwaltungsvorschrift“ sowie einen Zusatz enthalten, aus dem sich entweder das Gesetz, zu dem sie erlassen werden, oder ihr Inhalt schlagwortartig ergibt (ein Beispiel: „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz“).

Entsprechendes gilt für allgemeine Verwaltungsvorschriften, die bestehende Allgemeine Verwaltungsvorschriften ändern. Die Bezeichnung hierfür lautet: „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift“ sowie der Zusatz zur Gesetzesbezeichnung oder zum Inhalt (ein Beispiel: „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung“).

Wird für eine allgemeine Verwaltungsvorschrift eine Abkürzung festgelegt, so soll sich diese aus der Abkürzung des Gesetzes, zu dem sie erlassen wurde, oder aus einer prägnanten Bezeichnung ihres Inhalts und den Buchstaben „VwV“ – als Abkürzung für Verwaltungsvorschrift – zusammensetzen (Beispiele: „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung [StVOVwV])“; „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum integrierten Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt (IMIS) nach dem Strahlenschutzvorsorgegesetz [IMISVwV]“).

Eine Ausnahme ist möglich, wenn sich historisch eine andere Bezeichnung etabliert hat (Beispiel: „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Gewerbesteuerrechts [Gewerbesteuer-Richtlinien 2009 – GewStR 2009]“).

Nach der Bezeichnung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift folgt das Datum ihrer Ausfertigung.

Eingangsformel

In der Eingangsformel ist die Ermächtigungsnorm für die allgemeine Verwaltungsvorschrift anzugeben.

Hier sind die folgenden Fälle zu unterscheiden:

  • In den Fällen des Artikels 84 Absatz 2 GG und des Artikels 85 Absatz 2 GG lautet die Eingangsformel wie folgt:

    „Nach Artikel 84 Absatz 2 (bzw. Artikel 85 Absatz 2) des Grundgesetzes erlässt die Bundesregierung folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift:“
  • Sofern in den Fällen des Artikels 84 Absatz 2 GG oder des Artikels 85 Absatz 2 GG eine einfachgesetzliche Ermächtigung besteht, ist wie folgt zu formulieren:

    „Nach Artikel 84 Absatz 2 (bzw. Artikel 85 Absatz 2) des Grundgesetzes in Verbindung mit § ... des ... [Gesetzes] vom (BGBl. ...) erlässt die Bundesregierung folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift:“
  • Im Fall des Artikels 86 Satz 1 GG lautet die Eingangsformel wie folgt:

    „Nach Artikel 86 Satz 1 des Grundgesetzes erlässt die Bundesregierung folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift:“
  • Sofern im Fall des Artikels 86 Satz 1 GG eine einfachgesetzliche Regelung ein Bundesministerium zum Erlass einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift ermächtigt, wird die Einleitungsformel wie folgt formuliert:

    „Nach Artikel 86 Satz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit § .... des ... [Gesetzes] vom (BGBl. ...) erlässt das Bundesministerium .... folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift:“

Der Verordnungsgeber und die einfachgesetzliche Ermächtigung sind dabei nach den entsprechenden Vorgaben des „Handbuchs der Rechtsförmlichkeit“ für Rechtsverordnungen anzugeben.

Regelungstext

Allgemeine Verwaltungsvorschriften sollen nach § 4 VwVR in Hinblick auf Aufbau, Sprache und Darstellung adressatengerecht abgefasst sein und sich an der Arbeitssituation der Anwender orientieren. Sie sind verständlich zu gestalten und müssen leicht erkennen lassen, was sie regeln und wer den Inhalt kennen und danach handeln muss. Aus diesem Grund kann es zweckmäßig sein, Gliederungspunkte zu verwenden oder sich am Aufbau des entsprechenden Gesetzes zu orientieren. Ergänzend gelten die Anforderungen des „Handbuchs der Rechtsförmlichkeit“ zur Gestaltung von Gesetzen und Rechtsverordnungen.

Inkrafttreten/Außerkrafttreten

Obwohl Artikel 82 Absatz 2 Satz 1 GG keine Anwendung findet, ist auch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift mit einer Inkrafttretensvorschrift zu versehen, da dann auf den ersten Blick erkennbar ist, wann die Verwaltungsvorschrift Gültigkeit erlangen soll. Standort der Inkrafttretensregelung ist der letzte Paragraph bzw. der letzte Artikel der allgemeinen Verwaltungsvorschrift. Die entsprechende Formulierung lautet:

„Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.“

Im Fall einer Änderungsverwaltungsvorschrift muss außerdem deutlich werden, wann die alte allgemeine Verwaltungsvorschrift außer Kraft tritt. Die entsprechende Formulierung lautet:

„Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift ...[entsprechende Bezeichnung mit Datum und Fundstelle] außer Kraft.“

Ein Beispiel: „Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsgesetz vom 25. Oktober 1995 (BAnz Nr. 213a vom 14. November 1995) außer Kraft.“

Schlussformel

Ist die Zustimmung des Bundesrates notwendig, wird der allgemeinen Verwaltungsvorschrift folgende Schlussformel angefügt:

„Der Bundesrat hat zugestimmt.“

Herstellung der Urschrift und Bekanntmachung

Die Herstellung der Urschrift ist in § 71 GGO i.V.m. § 67 Absatz 2 GGO geregelt. Wenn die allgemeine Verwaltungsvorschrift von einem Bundesministerium erlassen wird, gilt § 68 Absatz 3 GGO, d.h., die Unterzeichnung erfolgt grundsätzlich auf Ministerebene.

Die Veröffentlichung von allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist in § 71 i.V.m. § 68 und § 76 (siehe insbesondere § 76 Absatz 3 Nummer 2 und Absatz 4 Nummer 1) GGO geregelt.

Muster

>> Ein Muster einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift ist als Annex 6 beigefügt.

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