2 Vorgehensweise und Vorüberlegungen
Es ist zu empfehlen, eine ähnliche Vorgehensweise für die Erstellung eines Entwurfes für eine Rechtsverordnung zu wählen wie für die Erstellung eines Gesetzes im formellen Sinn (vgl. Teil II in diesem Handbuch, Seite 49 ff., Rn. 76 ff.). D.h., es müssen Vorüberlegungen angestellt werden, z.B. zur Beteiligung der Hausleitung; es sollte ein Zeitplan erstellt werden und es sind weitere Rahmenbedingungen zu beachten, die zur Vorarbeit am Regelungsentwurf notwendig sind.
Für Entwürfe von Rechtsverordnungen gelten die Bestimmungen der GGO über die Vorbereitung und Fassung der Gesetzentwürfe entsprechend (§ 62 Absatz 2 GGO). Nachfolgend werden daher nur diejenigen Sachverhalte dargestellt, die über die Vorüberlegungen zu einem formellen Gesetz hinausgehend beachtet werden sollten.
2.1 Zeitplan
Die Zeitplanung ist ein wichtiger Arbeitsschritt zu Beginn eines jeden Regelungsvorhabens. Es empfiehlt sich auch bei der Erarbeitung einer Rechtsverordnung, eine Zeitplanung zu erstellen, dabei vom geplanten Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rechtsverordnung auszugehen und von diesem Zeitpunkt aus rückwirkend die Zeitpunkte der einzelnen Arbeitsschritte zu bestimmen.
Hinweis:
Nicht selten werden in einem Artikelgesetz sowohl das Stammgesetz mit der Verordnungsermächtigung als auch die Rechtsverordnung selbst zusammen erarbeitet. Dies hat mitunter Vorteile, da sich im Laufe der Erarbeitung der Rechtsverordnung ergeben kann, dass der Entwurf der Verordnungsermächtigung im Stammgesetz zu weit oder zu eng formuliert wurde und so noch im laufenden Verfahren der Erarbeitung des Gesetzentwurfes Anpassungsmöglichkeiten bestehen und genutzt werden können, was bei einer zeitlich getrennten Erarbeitung nicht möglich ist, ohne auch das Stammgesetz wieder im förmlichen Verfahren abzuändern. Dann allerdings muss das entwurfsverfassende Bundesministerium darauf achten, dass für das Stammgesetz einerseits und die Rechtsverordnung andererseits unterschiedliche Inkrafttretenstermine festgelegt werden, um die Anforderung aus § 66 Absatz 1 GGO zu erfüllen. Danach ist eine Rechtsverordnung erst auszufertigen, nachdem die ermächtigende Gesetzesbestimmung in Kraft getreten ist. Dieser Umstand muss bereits bei der Zeitplanung berücksichtigt werden, um entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten zu wahren.
Kurzübersicht: Planungsbogen GesetzgebungsverfahrenDer Planungsbogen wurde angepasst an die Bedürfnisse bei der Erstellung einer Rechtsverordnung. |
Zeit * | Datum | Aktion |
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| | Vorphase
- konzeptionelle Überlegungen: Anlass des Tätigwerdens (z.B. gesetzliche Verpflichtung, gerichtliche Entscheidung, (Teil-)Nichtigkeit einer bestehenden Rechtsverordnung, Weisung der Hausleitung, Umsetzung des Koalitionsvertrags, ressortabgestimmtes Eckpunkte-Papier), Prüfung der politischen, inhaltlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen, Prüfung von Regelungsalternativen und Gesetzesfolgen inkl. Erfüllungsaufwand
- Erstellung des Referentenentwurfs (Vorblatt, Verordnungsentwurf, Begründung) unter Beachtung insbesondere der §§ 42, 43, 44 und 62 GGO und ggf. der einschlägigen Hausanordnungen
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Dauer: ca. zwei bis vier Wochen | | Hausabstimmung
- Beachtung ggf. der einschlägigen Hausanordnungen
- Beteiligung organisatorisch und fachlich betroffener Referate
- ggf. Erörterung und Umsetzung der Änderungswünsche
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mind. eine Woche vor Ressortabstimmung | | Befassung Hausleitung
- Hausentwurf über festgelegten Dienstweg (z.B. Einbeziehung Kabinettreferat) an Hausleitung zur Billigung
- nach Billigung durch die Hausleitung ggf. Vorabunterrichtung der Koalitionsfraktionen (Gelegenheit zur Stellungnahme)
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Dauer: ca. vier Wochen (kürzere Frist möglich, insb. i.V.m. Ressortabstimmungen in Vorphase) | | Ressortabstimmung und weitere Beteiligungen
- rechtzeitige Beteiligung betroffener Ressorts, des Nationalen Normenkontrollrates, der Verfassungsressorts BMI und BMJ (§§ 45, 46 GGO, Anlage 6 zu § 45 Absatz 1, § 74 Absatz 5 GGO), ggf. unter Fristsetzung (für Schlussabstimmung grundsätzlich mindestens vier Wochen, bei umfangreichen und schwierigen Entwürfen auf Antrag acht Wochen, nur in begründeten Ausnahmefällen kürzer – § 50 GGO)
- Beachtung der Vorhabenplanung der Bundesregierung; ggf. Nachholen der ELVER/IntraplanB-Erfassung
Ggf. während Ressortabstimmung, ggf. nach Billigung durch Ressorts:
- Beteiligung der Länder, kommunaler Spitzenverbände, Fachkreise (§ 47 GGO)
- bei Länder- und Verbändebeteiligung zeitgleiche Kenntnisgabe des Entwurfs an die Geschäftsstellen der Fraktionen des Deutschen Bundestages und des Bundesrates (§ 48 Absatz 2 GGO)
- ggf. Erörterung und Umsetzung der Änderungswünsche
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spätestens freitags zehn Tage vor gepl. Kabinetteinbringung (Begründete Nachmeldung mit St-Vorlage bis freitags 12 Uhr vor Kabinett mgl.) | | Kabinettvorlage an Hausleitung
Beachtung der §§ 22, 23, 51 GGO und ggf. der einschlägigen Hausanordnung
(Hinweis: Annex 3 enthält ein Muster für den Beschlussvorschlag und den Sprechzettel sowie den Verteilschlüssel)
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mittwochs | | Kabinettbeschluss |
nach Beschluss der Bundesregierung | | Zuleitung an Bundesrat durch BK-Amt oder ChefBK
- Beachtung von § 64 GGO
- Beachtung des Sitzungskalenders: keine einzuhaltenden Fristen für den Zustimmungs-, Ablehnungs- oder Maßgabebeschluss des Bundesrates, jedoch Bemühung des Bundesrates um Einhaltung der gängigen 6-Wochen-Frist (dazu muss eine entsprechend fristgerechte Vorlage vor den Plenarsitzungen erfolgen)
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nach Befassung im Bundesrat (Dauer: i.d.R. zwischen 6 und 12 Wochen) | | Bei Maßgabebeschlüssen des Bundesrates
- Beachtung der §§ 62, 64, 65 GGO
- Rechtsverordnungen der BReg und Rechtsverordnungen, die dem Kabinett vorzulegen sind (§ 62 Absatz 3 GGO): müssen in der durch den Maßgabebeschluss geänderten Fassung erneut von der BReg beschlossen werden (§ 65 Nummer 1 GGO); Kabinettvorlage des federführenden Bundesministeriums erforderlich; bei Änderungen gegenüber dem Maßgabebeschluss ist eine erneute Vorlage an den Bundesrat notwendig
- Rechtsverordnungen eines oder mehrerer Bundesministerien, die nicht dem Kabinett vorzulegen sind (§ 65 Nr. 3 GGO): müssen in der durch den Maßgabebeschluss geänderten Fassung erneut von dem oder den Bundesministern gebilligt werden (§ 64 Absatz 2 GGO); bei Änderungen gegenüber dem Maßgabebeschluss ist eine erneute Vorlage über ChefBK an den Bundesrat notwendig
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Dauer: in der Regel. mind. drei Wochen | | Ausfertigung und Vorbereitung der Verkündung der Rechtsverordnung
- Beachtung von § 66 GGO
- Ausfertigung der Rechtsverordnung erst nach Inkrafttreten der Verordnungsermächtigung
- nach Ausfertigung der Rechtsverordnung und nach Zustimmung des Bundesrates (ggf. unter angenommenen Maßgaben) Übersendung an die Schriftleitung des BAnz.
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Dauer: ca. zwei Wochen | | Herstellung der Urschrift
- Beachtung von § 67 GGO
- Veranlassung der Herstellung der Urschrift der Rechtsverordnung nach Verabschiedung der endgültigen Fassung (und ggf. Zustimmung des Bundesrates) bei der Schriftleitung des Bundesanzeigers durch das federführende Ministerium
- ggf. Bereinigung von Druckfehlern oder offensichtlichen Unrichtigkeiten im Berichtigungsverfahren (§ 61 Absatz 2 GGO)
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Dauer: ca. zwei Wochen | | Verkündung der Rechtsverordnung
- Beachtung der §§ 68, 76 GGO
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| | Inkrafttreten der Rechtsverordnung
- Beachtung von § 66 Absatz 1 GGO
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2.2 Definition des Handlungsrahmens für die Rechtsverordnung
Nach der Erstellung eines Zeitplanes ist zu prüfen, welche Möglichkeiten, Pflichten, aber auch Grenzen die Verordnungsermächtigung bietet und welcher Adressat mit der Ermächtigung angesprochen wird.
Nach Artikel 80 Absatz 1 Satz 1 GG können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Diese Aufzählung ist abschließend, sodass z.B. eine Behörde oder ein Behördenleiter auf Bundes- oder Landesebene nicht zur Verordnungsgebung ermächtigt werden kann (BVerfGE 8, 155, 163; BVerfGE 15, 268). Welchen Ermächtigungsadressaten der Gesetzgeber bestimmt, steht ihm grundsätzlich frei.
Möglich ist allerdings, die Verordnungsermächtigung selbst in engen Grenzen weiter zu übertragen (Subdelegation bzw. Unterermächtigung).
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2.2.1 Bestimmtheitsgebot der Verordnungsermächtigung
Eine Verordnungsermächtigung muss nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu drei konkretisierende Formeln begründet, die sich gegenseitig ergänzen und die Bestimmtheit näher umschreiben: die Selbstentscheidungsformel, die Programmformel und die Vorhersehbarkeitsformel.
- Die Selbstentscheidungsformel verpflichtet den Gesetzgeber, selbst die Entscheidung darüber zu treffen, welche Sachverhalte durch eine Rechtsverordnung von der Exekutive überhaupt geregelt werden sollen, welche Ziele die Rechtsverordnung dabei erreichen soll und in welchen Grenzen sich der Verordnungsgeber bewegen darf (BVerfGE 2, 307; BVerfGE 5, 71; BVerfGE 23, 62).
- Die Programmformel besagt, dass sich dem ermächtigenden Gesetz bereits entnehmen lassen müsse, welches Programm durch die Rechtsverordnung umgesetzt werden soll, d.h., der Gesetzgeber muss bereits in der Ermächtigungsnorm deutlich werden lassen, welche Ziele er in Bezug auf den konkreten Inhalt der Rechtsverordnung verfolgt (BVerfGE 5, 71; BVerfGE 41, 251; BVerfGE 58, 257; BVerfGE 78, 249; BVerfGE 85, 97).
- Nach der Vorhersehbarkeitsformel muss sich bereits aus der Ermächtigungsnorm für den Normadressaten erkennen lassen, welchen Inhalt die Rechtsverordnung haben wird und mit welchen Rechten und Pflichten er letztlich zu rechnen hat (BVerfGE 1, 14; BVerfGE 56, 1; BVerfGE 58, 257; BVerfGE 78, 249; BVerfGE 111, 143).
Ob eine Verordnungsermächtigung hinreichend bestimmt ist, hängt unter Beachtung der Formeln vom jeweiligen Einzelfall ab (BVerfGE 1, 14). Die Rechtsverordnung hat sich in den durch die Verordnungsermächtigung gezogenen Grenzen zu bewegen (BVerfGE 13, 248; BVerfGE 31, 145).
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2.2.2 Rechtsverordnungen der Bundesregierung
Wird in einem Gesetz „die Bundesregierung“ ermächtigt, so ist gemäß dem Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Bundesregierung als Kollegialorgan gemeint.
Insofern bedürfen Rechtsverordnungen der Bundesregierung eines Kabinettbeschlusses (vgl. auch § 62 Absatz 3 Nummer 1 GGO).
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2.2.3 Rechtsverordnungen eines Bundesministers
Wahl eines bestimmten Bundesministers
Der Gesetzgeber kann entscheiden, welcher Bundesminister (ggf. unter Einbeziehung weiterer Bundesminister) das Recht zur Verordnungsgebung erhält (BVerfGE 56, 298, 311).
Bei Veränderungen der Bezeichnung von Bundesministerien oder von deren Aufgabenzuschnitt regelt das Zuständigkeitsanpassungsgesetz vom 16. August 2002[1] die Zuständigkeit.
Gemeinsame Rechtsverordnungen
Möglich sind auch Rechtsverordnungen, die von mehreren Bundesministern gemeinsam erlassen werden.
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2.2.4 Rechtsverordnungen einer Landesregierung
Ermächtigungsadressat Landesregierung
Eine Landesregierung, nicht dagegen ein einzelner Landesminister, kann durch Bundesgesetz ermächtigt werden, eine Rechtsverordnung zu erlassen.
Rechtsverordnungsermächtigungen können sich sowohl an eine einzelne Landesregierung als auch an mehrere oder alle Landesregierungen richten. Jede Landesregierung muss eine Rechtsverordnung für ihren Zuständigkeitsbereich erlassen, gemeinsame Rechtsverordnungen der Landesregierungen sind nicht möglich. Dies schließt nicht aus, dass Abstimmungen der Landesregierungen untereinander erfolgen.
Umsetzung der Verordnungsermächtigung auch in Form eines Landesgesetzes
Wurde eine Landesregierung durch ein Bundesgesetz ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, so stellt Artikel 80 Absatz 4 GG klar, dass die Länder in diesem Fall die Verordnungsermächtigung auch durch ein Landesgesetz ausfüllen können.
Das von einem Landesorgan gesetzte Recht ist Landesrecht. Die Rechtsverordnung einer Landesregierung, auch wenn diese sich auf eine bundesgesetzliche Verordnungsermächtigung stützt, ist daher ebenfalls Landesrecht (vgl. BVerfGE 18, 407, 414 ff.).
Die Rechtsverordnung der Landesregierung muss sich demnach auch in das Rechtsgefüge des jeweiligen Landes einfügen, d.h., sie muss die vorrangigen Landesgesetze beachten und darf der Landesverfassung nicht entgegenstehen. Diese Charakterisierung als Landesrecht ist auch für die Frage entscheidend, welches Recht subsidiär anzuwenden ist.
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2.2.5 Rechtsverordnung zur Übertragung einer Verordnungsermächtigung in Form der Subdelegation bzw. Unterermächtigung
Im Gesetz kann vorgesehen sein, dass die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung weiterübertragen werden kann (z.B. kann ein Bundesgesetz vorsehen, dass die Bundesregierung ermächtigt wird, zur Ausführung des Gesetzes eine Rechtsverordnung zu erlassen oder diese das Recht zum Erlass einer Rechtsverordnung auf einen oder mehrere Bundesminister weiterübertragen kann). Soll eine solche Verordnungsermächtigung durch den Erstbegünstigten an Dritte weiterübertragen werden, bedarf es dazu nach Artikel 80 Absatz 1 Satz 4 GG einer eigenständigen Rechtsverordnung, die den Übertragungsakt zum Gegenstand hat.
Fußnote:
[1] Gesetz zur Anpassung von Rechtsvorschriften an veränderte Zuständigkeiten oder Behördenbezeichnungen innerhalb der Bundesregierung (Zuständigkeitsanpassungsgesetz – ZustAnpG) vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3165).